Rauswurf Edathys wird Hängepartie

KONSEQUENZEN Sofort? Oder warten? Die SPD quält sich mit dem Fall

BERLIN taz | Der SPD-Chef sprach ein Machtwort: Unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz seien Präsidium und SPD-Vorstand „entsetzt und fassungslos“ über das Verhalten Sebastian Edathys, dröhnte Sigmar Gabriel Mitte Februar im Berliner Willy-Brandt-Haus. „Sein Handeln ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und passt nicht zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.“

Damit legte Gabriel – unterstützt von den entscheidenden Führungsgremien – die Linie früh fest. Edathy soll raus aus der SPD, möglichst schnell. Dahinter steckt eine Analyse, die viele Spitzen-Sozialdemokraten teilen: Der Vorwurf, Nacktfotos von Kindern bei einem kanadischen Schmuddelportal bestellt zu haben, wiegt so schwer, dass er das Ansehen der Partei beschädigt. Edathy, der längst sein Bundestagsmandat niedergelegt hat, soll über ein Parteiordnungsverfahren ausgeschlossen werden.

Gabriel legte die Messlatte hoch, indem er die strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe als wenig bedeutend hinstellte. Stattdessen argumentierte er vor allem moralisch. Nun steht die SPD in der Pflicht, den großen Worten Taten folgen zu lassen. Und zwar unabhängig von den Ergebnissen der juristischen Aufarbeitung der Vorwürfe.

Dies könnte die SPD in Bedrängnis bringen. Edathy, der seine Affäre regelmäßig auf Facebook kommentiert, scheint nicht bereit zu sein, den Mitgliedsausweis freiwillig abzugeben. Und ein unwilliges Parteimitglied auszuschließen, ist nicht ganz einfach. Das hat das Verfahren gegen Thilo Sarrazin gezeigt, der weiter SPD-Mitglied ist, obwohl sein rassistisch gefärbtes Buch „Deutschland schafft sich ab“ gewiss nicht den Grundsätzen der SPD entspricht.

Entscheidend ist aber etwas anderes: In der SPD existiert ein handfester Konflikt beim Parteiordnungsverfahren gegen Edathy. Die zuständige Schiedskommission Hannover hat beschlossen, das Verfahren zunächst ruhen zu lassen. Schließlich seien wesentliche Fragen Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft, argumentierte die Kommission Mitte März. Es gelte „auch in Parteiordnungsverfahren die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Unschuldsvermutung“.

Die Genossen vor Ort warten also ab. Selbst wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, müsste erst ein Gericht über Edathys Schuld oder Unschuld entscheiden. Das Verfahren verzögerte sich enorm. Diese Linie widerspricht der des Bundesvorstandes der Partei, der am liebsten schnelle Fakten sähe.

Wie lange die Staatsanwaltschaft Hannover noch ermittelt, ist unklar. „Bis zu einem Ergebnis geben wir keine Wasserstandsmeldungen ab“, sagte eine Sprecherin am Montag. Eine Option bliebe Gabriel in jedem Fall: Die Bundespartei könnte das Parteiordnungsverfahren gegen Edathy an sich ziehen. US