Der deutsche Wald bleibt weiter krank

Schadensbericht 2006: Fast 70 Prozent der Bäume sind nicht gesund. Hauptursache ist Stress durch Wetterextreme

BERLIN taz ■ „Wir haben die Hoffnung, dass sich unsere Wälder langsam wieder erholen.“ Mit solchen Worten stellte gestern Peter Paziorek, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, den Waldschadensbericht 2006 vor. Denn obwohl der offiziell „Waldzustandsbericht 2006“ genannt wird – der deutsche Wald ist auch 2006 nicht gesundet. Im letzten Jahr ist der Anteil der Flächen mit deutlicher Kronenverlichtung lediglich um einen Punkt auf 28 Prozent gesunken. Immer noch sind aber fast die Hälfte aller Buchen krank. „Der Kronenzustand unserer Waldbäume hat sich im bundesweiten Durchschnitt wenig verändert, mit nur leichter Tendenz zur Verbesserung“, sagte der CDU-Politiker. So habe sich der Anteil von gesundem Wald von 29 auf 32 Prozent etwas erhöht. Als „sehr krank“ (Stufe 2 bis 4) gelten 44 Prozent aller Eichen, 27 Prozent der Fichten. Am besten mit ihrer stressenden Umwelt kommen offenbar die Kiefernbestände zurecht: Sie sind nur zu 18 Prozent krank.

Seit 1984 wird die Situation des heimischen Waldes untersucht. Der Zustand der Baumkronen dient dabei als Indikator, der zuverlässig Auskunft über die gesundheitliche Verfassung der Bäume gibt. Weil sich der Luftzustand seit den 80er Jahren deutlich verbessert hat, haben Schäden durch sauren Regen oder Stickstoff zwar nachgelassen. Jetzt allerdings setzen dem Wald zunehmend Wetterextreme zu. Experten des Bundeslandwirtschaftsministeriums urteilen denn auch: Die Waldbäume erholen sich nur langsam von den Folgen des Trockensommers 2003. „Immer deutlicher zeigt sich, dass sich die Klimaextreme im Waldzustand bemerkbar machen“, so die offizielle Diagnose der Regierung. Hitze und Trockenheit beeinflussten nicht nur den Kronenzustand, sondern auch das Blühen und Fruchten der Waldbäume. Geschwächte Bäume begünstigen zudem die Aktivität von Forstschädlingen. Nach dem Orkan „Kyrill“ ist nach Angaben des Staatssekretärs mit Waldschäden zu rechnen, bei denen 25 Millionen Kubikmeter Holz zurückbleiben.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) denn auch eine „Gesundheitsreform für den Wald“: „Wälder sind für den Klimaschutz unverzichtbar und leiden zugleich mit am stärksten unter der Erderwärmung“, so BUND-Waldexperte Helmut Klein. Als wirksame Sofortmaßnahme fordert der Bund deshalb Tempolimits im Straßenverkehr und eine höhere Besteuerung fossiler Energieträger.

Regional entwickelte sich der Wald unterschiedlich. Während sich die Bäume beispielsweise in Sachsen-Anhalt und Hessen leicht erholten, stieg der Anteil schwer geschädigter Bäume im Saarland um 14 Prozentpunkte, in Rheinland-Pfalz um 5 sowie in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg um je 4 Prozent. Mit 14 Prozent deutlichen Kronenverlichtungen zählt der Baumbestand in Sachsen zu den gesündesten – trotz des Erzgebirgskamms, der durch die Braunkohleverstromung im böhmischen Becken weiter stark geschädigt ist. NICK REIMER

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