CDU lässt Steinmeier gern noch zappeln

Viele in der Union sehen die Schwierigkeiten des Außenministers mit Schadenfreude. Ausschuss-Chef Kauder trägt eifrig dazu bei, dass der Mythos des konsequenten Kriegsgegners SPD verblasst. Aber einen Rücktritt des Ministers wünscht Merkel nicht

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Die Krise des sozialdemokratischen Außenministers bringt auch die Union in die Bredouille. Einerseits wird Frank-Walter Steinmeier von vielen sehr geschätzt, weil er kaum für Streit sorgt und verlässlich ist. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gab zu erkennen, dass sie an seinem Verbleib im Amt interessiert ist. Andererseits sehen es viele in der Union mit Schadenfreude, dass Steinmeier und die anderen Vertreter der früheren rot-grünen Regierung im Fall des Guantánamo-Häftlings Kurnaz in große Erklärungsnot geraten.

„Es gefällt uns natürlich, dass die Diskrepanz zwischen öffentlichen Aussagen und Handeln der rot-grünen Regierung immer deutlicher sichtbar wird“, sagte ein CDU-Vorstandsmitglied der taz. Allzu lange litt man darunter, wie sich die SPD als konsequente Bush-Kriegs-Kritiker-Partei aufspielte. „Das geht jetzt nicht mehr“, stellt der Unionist zufrieden fest. Schadenfreude aber ist eine Gefühlsregung, die Politiker gegenüber dem eigenen Koalitionspartner nicht offen zeigen sollten. „Das führt nur zu Revanchefouls“, so der CDU-Stratege. „Wenn wir jetzt versuchen, der SPD eins mitzugeben, wird sie uns das bei nächster Gelegenheit heimzahlen.“ Der Unionspolitiker empfiehlt seinen Parteifreunden deshalb „stille Genugtuung“ beim Betrachten der SPD-Qualen – und bleibt lieber ungenannt.

Die Möglichkeit, ruhig zuzusehen und nur versteckt zu sticheln, hat der CDU-Politiker Siegfried Kauder nicht. Der Vorsitzende des BND-Untersuchungsausschusses muss sich unweigerlich immer wieder zum Fall Kurnaz und dem Verhalten Steinmeiers äußern – und Stellung beziehen. Kauder schont Rot-Grün inklusive Steinmeier dabei nicht mehr. Im Gegenteil. Er äußert sich so kritisch, dass es manche Parteifreunde aus dem Regierungsapparat irritiert, die sich aus Koalitionsräson oder Solidarität mit Steinmeier zurückhalten.

Wenn einer wie Kurnaz unschuldig in Guantánamo einsitze, könne eine Regierung nicht einfach auf ein Freilassungsangebot der USA warten, gab Kauder den rot-grünen Verantwortlichen gestern mit. „Da muss man schon selbst auch aktiv werden“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Vorher bereits stellte Kauder fest, es wäre „menschenverachtend“, Kurnaz Hilfe zu versprechen und dann nichts für ihn zu tun. Deutlicher hätte es auch die Opposition nicht formulieren können. „Dass der Kauder inzwischen fast schon wie der Advokat von Murat Kurnaz auftritt, hätte ich so nicht erwartet“, sagte ein CDU-Regierungsmitglied der taz. Als Kurnaz seine Leidensgeschichte im vergangenen Herbst in der Fernsehsendung „Beckmann“ erzählte, saß Kauder noch stocksteif daneben, enthielt sich eines mitfühlenden Kommentars und verwies kühl auf die Tagesordnung im Untersuchungsausschuss, auf der Kurnaz noch nicht vorgesehen sei. Hält der CDU-Politiker Kurnaz erst jetzt für glaubwürdig, seit er im Ausschuss war?

Wohl kaum. Der Jurist Kauder legt größten Wert darauf, alle Regeln genauestens einzuhalten und getreu seiner Funktion zu agieren. Was für ihn zählt, ist das im Ausschuss Gesagte. Den Regeln gemäß belässt er es bisher auch bei dem Zeitplan, der Steinmeiers Auftritt erst im März vorsieht – egal, ob das dem Minister schadet, weil sich die Affäre so noch länger hinzieht.

Merkel lässt ihn gewähren. „Wir haben kein Interesse an einem Rücktritt“, heißt es aus dem CDU-Vorstand immer noch eindeutig. Die Sorge vor dem Chaos, das dann in der Koalition ausbrechen würde, überwiegt. Aber wenn Steinmeier noch eine Weile zappeln muss, hat die Union auch nichts dagegen.