Stillstand in der Schule

ASYL Die Flüchtlinge in der besetzten Schule hätten ihren Teil des Kompromisses bisher nicht umgesetzt, kritisiert der Baustadtrat des Bezirks, Hans Panhoff. Man müsse deshalb nun „sehr klar“ miteinander sprechen

„Wir sind in einer fragilen Phase“

HANS PANHOFF, GRÜNE

VON PLUTONIA PLARRE
UND BERT SCHULZ

Zwei Wochen nach der Teilräumung der von Flüchtlingen besetzten Schule in Kreuzberg wirft der zuständige Baustadtrat des Bezirks, Hans Panhoff (Grüne), den Flüchtlingen vor, dass ein wesentlicher Teil des Kompromisses nicht umgesetzt wurde. Statt sich wie vereinbart auf eine Etage zurückzuziehen, würden sich die in der Schule Verbliebenen auf das Gebäude verteilen, sagte Panhoff der taz. Das mache große Probleme, „weil Gebäudesicherung und Brandschutz so schwer zu verwirklichen sind“, so Panhoff im Interview. Er kündigte an, dass Bezirk und Flüchtlinge „in den nächsten Tagen sehr klar miteinander sprechen müssen“. Man sei „in einer fragilen Phase“.

Ende Juni hatte der Bezirk seinen Versuch begonnen, die seit eineinhalb Jahren von Flüchtlingen, Roma-Familien und Obdachlosen bewohnte Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße zu räumen. Bereits am ersten Tag ging ein Großteil der Menschen auf das Angebot ein, in vom Senat gestellte Ersatzunterkünfte in Spandau und Charlottenburg umzuziehen. Die vom Bezirk angeforderte Polizei sicherte mit einem Großaufgebot die Lage.

Doch rund 40 Flüchtlinge wollten nicht weichen. Sie drohten damit, sich vom Dach zu stürzen, sollte die Polizei die Schule gewaltsam räumen. Nach fünf Tagen Pattsituation stellte Stadtrat Panhoff eigenmächtig einen Räumungsantrag bei der Polizei. Offenbar wirkte diese Drohung: Einen Tag später präsentierten die Flüchtlinge einen Kompromiss. Dieser sieht vor, dass bis zu 40 Menschen in der ehemaligen Schule wohnen bleiben dürfen, die zu einem Flüchtlingszentrum umgebaut werden soll. Zudem soll ihre Lage im Einzelfall geprüft werden.

Panhoff wurde für sein Vorpreschen massiv kritisiert: Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) distanzierte sich von seiner Taktik, viele Grüne warfen ihm Verrat vor. Linkspartei und Piraten brachten einen Abwahlantrag ein, über den im August abgestimmt wird.

Im ersten großen Interview seit den turbulenten Ereignissen verteidigt Panhoff nun sein Vorgehen: Es sei aus dem „Mut der Verzweiflung“ geboren, sagte er der taz. „Aber ich stelle fest, dass es eine ganze Menge Leute gibt, die sagen, das war richtig.“ Er ist sich sicher: Hätte es eine Eskalation gegeben, „die mir zu heiß geworden wäre, hätte ich alles immer noch abblasen können“.

Zugleich gesteht der 56-Jährige Fehler ein, etwa was den Ausschluss der Presse vom Gelände angeht: Es sei nur darum gegangen, das Haus „dichtzuhalten“ und nicht, die Presse zu unterdrücken. „Aber das ist nicht gut gelaufen.“ Panhoff hatte Medienvertreter angeherrscht, man brauche zum jetzigen Zeitpunkt an diesem Ort keine Presse.

Unterdessen wurde am Dienstag bekannt, dass die beim Senat registrierten Flüchtlinge ihre Umverteilung in die Hauptstadt beantragen können, wenn sie bereits in anderen Bundesländern Asylverfahren laufen haben. Das bekräftigte die rot-schwarze Landesregierung auf Vorlage von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) noch einmal ausdrücklich. Bei Zustimmung laufe das Verfahren dann in Berlin weiter. Bei Ablehnung werde das Asylverfahren in dem bisher schon damit befassten Bundesland fortgeführt. Sowohl das abgebende wie das aufnehmende Land müssen einer Umverteilung zustimmen. Ein Sprecher von Innensenator Frank Henkel (CDU) betonte gegenüber der taz indes: „Es bleibt dabei: Es wird keine Privilegierung geben.“ Anträge von Flüchtlingen würden „nach Recht und Gesetz“ bearbeitet.

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