LESERINNENBRIEFE
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Ghostwriter

■ betr.: „Neue Probleme für zu Googleberg“, taz vom 18. 2. 11

Ich denke, der Verteidigungsminister hat nicht 30- bis 40-mal geschwindelt, sondern in diesem Fall nur einmal, aber richtig. Man muss seine Politik nicht mögen, eins ist aber sicher, der Mann ist intelligent und clever genug, um zu wissen, dass abgeschriebene Passagen in Doktorarbeiten ein dauerhaftes Imagerisiko darstellen. Auch weniger begabten Intellektuellen wird eingetrichtert, dass wissenschaftliches Arbeiten artiges Zitieren fremder Schlauheiten verlangt. Ergebnis (vermutlich nicht beweisbar): Auch diesmal gibt es einen anderen, der die Watschen bekommen sollte. Nur dass der Verteidigungsminister den eigentlichen Delinquenten nicht zur Schlachtbank schicken kann, weil er ihn als Ghostwriter beauftragt hat. JOCHEN SINDBERG, Berlin

Ad hominem

■ betr.: „Karl-Theodor zu Googleberg“, taz vom 17. 2. 11

Die Kritiken werden nun wieder politisch einsortiert. Die Linken wollen doch nur eine Zacke aus Karl-Theodor von und zu Guttenbergs Krone brechen! Ein perfektes Beispiel für ein Argumentum ad hominem.

Nur schade, dass mein Logik-Lehrbuch hier von einem logischen Fehlschluss spricht. Der Inhalt der Kritik sollte, statt über die Ritterlichkeit unseres Verteidigungsministers, lieber eine Diskussion über Plagiate anstoßen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um geklaute literarische Ideen (wie im Fall Hegeman), sondern um strenge Regeln für Wissenschaftlichkeit.

Da ist es egal, welcher Nachname nach dem Dr. jur. steht.

Naiverweise hoffe ich, dass die Universität Bayreuth unabhängig von politischen Erwägungen auf Grundlage von wissenschaftlichen Standards über diesen Fall entscheiden wird. GERGELY RÁCZ, Mainz

Gallionsfigur

■ betr.: „Karl-Theodor zu Googleberg“, taz vom 17. 2. 11

Ein Betrugsfall wie hier ist tatsächlich gänzlich ohne Belang für die Politik in diesem Land. ABER: Im „Bildungsstandort Deutschland“ muss solch ein Vorfall im Zusammenhang mit einer politischen Galionsfigur alle notwendigen Konsequenzen nach sich ziehen. Deutschland und Guttenberg gehen ohne den akademischen Grad von Letzterem sicherlich nicht unter, aber der Schaden, der dem Uni- und Forschungsbereich bei einem Freispruch von Guttenberg entstehen, würde, ist immens. Und ausgerechnet ein Neoliberaler, der uns „Leistungsbereitschaft“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ predigt, hat sich hier als (zumindest akademischer) Leistungsverweigerer und Wettbewerbsversager herausgestellt. Ich hoffe, die Kommission der Bayreuther Uni hat genug Vernunft und wird allein schon aus Selbstschutz die notwendigen Schritte einleiten. T-34/85, taz.de

Plagiat hat eine lange Tradition

■ betr.: „Neue Probleme für zu Googleberg“, taz vom 18. 2. 11

Die Tage unseres, von den „breiten Massen“ ach so hoch verehrten Verteidigungsministers (seines Zeichens „Lügenprinz“) sind gezählt! Er hat in seiner kurzen Amtszeit herumgeeiert und schlichtweg über-dreht! Da helfen auch keine Blitzbesuche (ohne lästige begleitende Journalisten) bei „seinen“ Afghanistan-Soldaten! Auch nicht die gewundenen Beschwichtigungen unserer Kanzlerin und seiner CSU-Kämpen!

Schon sehr bald wird dieser Tausendsassa nicht mehr publikumswirksam leichtfüßig über Geländer hüpfen oder auf dem Kabinenboden des Hubschraubers sitzend hoheitsvolle Interviews geben! Selbst seine schicke Gattin wird ihn nicht mehr aus dem Schlamassel retten können.

Plagiat hat eine lange Tradition! Während meiner Schulzeit präsentierte ein Schüler ein Gedicht aus eigener Feder, es beginnt: „Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte …!“

Das kam dem Lehrer spanisch vor!

Selbst Fehler eins zu eins plagiativ übernommen zu haben, wie es Guttenberg offenbar dummfrech gemacht haben soll, das ist schon ein dicker Hund, gelinde gesagt.

Sein fast Namensvetter Gutenberg würde sich im Grab umdrehen!

Summa cum laude. MANFRED KRÜGER, Frankfurt am Main

Mitmachen von Groß und Klein

■ betr.: „Demokratie ist nie garantiert“, taz vom 18. 2. 11

Würde das bundesdeutsche Militär die Rechte des deutschen Volkes ebenso verteidigen wie das ägyptische? Wie sehr braucht die Bundeskanzlerin ihren Militärlakaien Theodor zu Guttenberg? Ich stimme dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Brun-Otto Bryde zu, dass uns allein konkrete Volksentscheide vor „illegitimen“ politischen Absprachen schützen. In diesem Zusammenhang sollte auch über europäische Volksentscheide und Wahlpflicht diskutiert werden. Zudem müssen bereits heranwachsende Schüler „mitmachen“ und „wählen“ üben. Der zentrale Lernzuwachs der Schüler sollte dabei nicht „dominieren“ sein, so wie sie die jetzige Regierungspolitik erleben, sondern: mitmachen von Groß und Klein. Wenn dieses spielerische Element der Fairness nie erlebt und gespürt wird, wächst demokratische Unreife und politische Frustration.

Anders als Brun-Otto Bryde sehe ich in der EU überhaupt keine Institution, die das Erleben von Demokratie möglich macht. Auf den Sozialgipfeln des europäischen Rates der Regierungschefs protestieren die Vertreter der nationalen Gewerkschaften. Wer von uns hat Kontakt zu einem/einer dieser Regierungschefs oder zu einem/einer dieser aktiven Gewerkschaftler? Wo bleibt der Austausch zwischen ihnen und uns, das Element der Fairness?

Wenn nur einige der von Brun-Otto Bryde erwähnten 70 Prozent der demokratisch gesinnten Deutschen vor dem Brandenburger Tor dagegen protestierten und massiv von Politik, Polizei und Geheimpolizei, wie im Stuttgarter Protest gegen den Bahnhofsneubau, angegriffen würden, würde uns unser Militär helfen? Wie sehr braucht Angela Merkel das Militär und die Polizei zur Unterstützung einer Politik, die sich an den Interessen der großen Lobbyisten und nicht an denen der kleinen Bürger orientiert? MARTINA KEILBART, Bielefeld

Druck der Straße

■ betr.: „Wir leben in einer Militärdiktatur“, taz vom 18. 2. 11

Wer wird denn schon wieder auf die USA hoffen, um die Dinge ins richtige Lot zu bringen? Es war der Druck der Straße, der Mubarak zum Rückzug gezwungen hat. Die Menschen dort sind sich bestimmt der Gefahr sehr bewusst und wissen, dass die versprochenen Änderungen relativ schnell erfolgen müssen.

Der Militärrat hat einen engen Zeitrahmen genannt für die Änderung der Verfassung und die Durchführung von Wahlen.

Es besteht also durchaus Hoffnung.

Auf die USA zu setzen, wäre sicher das Unsicherste, das die Demokratiebewegung jetzt machen könnte. MANUELA KUNKEL Stuttgart

Polemischer Ton

■ betr.: „Gutachter, Lobbyisten und Autoren“, taz vom 16. 2. 11

Mich stört der polemische Ton an den beiden Artikeln von Ute Andresen (siehe auch „Künstlich erzeugter Schriftenwirrwarr“ vom 9. 2.). Es wirkt wie ein persönlicher Feldzug gegen anerkannte GrundschuldidaktikerInnen und mir fehlen sachliche Grundinformationen wie zum Beispiel die: Wie soll diese Grundschrift denn überhaupt gestaltet sein? Meine Erfahrung als Grundschullehrerin (und ich hatte alle Schriften in meinem Unterricht) ist die: Bei einem sorgfältigen Schreibunterricht können die Kinder mit jeder Ausgangsschrift lesbar und ordentlich („schön“) schreiben lernen: VA, SAS, LA und Druckschrift nach freiem Schreiben. MASCHA KIRCHNER, Xanten

Welche Arbeit brauchen wir?

■ betr.: „Wer von der Quote profitiert“, taz vom 15. 2. 11

Wenn die gegenwärtige Quotendiskussion so hohe Wellen schlägt, so liegt das nicht nur daran, dass sich das Qualifikationsniveau von Frauen in den letzten 30 Jahren enorm verbessert hat, sondern auch, dass noch so qualifizierte Frauen zu dieser höchsten Ebene keinen Zugang haben. Doch auch hochqualifizierte Frauenberufe wie Bibliothekarinnen, Sozialarbeiterinnen und neuerdings Pflegewissenschaftlerinnen werden auf ihrem Niveau so lange unterbezahlt bleiben, wie diese Bereiche nicht von Männern erobert worden sind.

Ärgerlich ist, dass sich mit der Quotendiskussion in Aufsichtsräten nicht nur der Blick auf den quantitativen Fokus von Frauenarbeit verschoben hat. Langfristig viel schlimmer ist, dass der qualitative Nutzen von weiblicher Arbeit immer mehr aus dem Blick gerät. Ursula Müller deutet dies an, indem sie von den Aufsichtsratsfrauen spricht, die der Profitmaximierung dienen. Doch nur wenn Frauen sich auf männliche Arbeitsfelder begeben, und sei es auch in noch so zweifelhafter Weise (wie an der Börse oder beim Militär), geraten sie überhaupt noch ins Blickfeld öffentlicher Debatten.

Typisch weibliche Arbeitsfelder sind dagegen weiterhin nicht nur systematisch unterbezahlt, sie sind auch diejenigen, die in einer humanen und kulturell anregenden Gesellschaft am dringendsten gebraucht werden. Was Not tut, ist weniger eine Debatte über Quoten in Aufsichtsräten, sondern eine über die Frage, welche Art von (weiblicher + männlicher) Arbeit (auch Familienarbeit!) einer humanen Gesellschaft nützlich ist! GERTRUD & WALTER GRODE, Hannover

Reiche Onkel

■ betr.: „Der geheime Ausverkauf“, taz vom 15. 2. 11

Viele sagen, die Bundesrepublik sei eine Bananenrepublik. Das ist falsch. Denn das Wort „Republik“ beschreibt eine am Gemeinwohl orientierte Staatsform. Die Politik hat sich ihrer Pflichten und ihrer Einflussnahme bei vielen ihrer Aufgaben beraubt. Das „Recht“ von Unternehmen, sich minderwertige Leistungen im Auftrag des Staates von diesem fürstlich entlohnen zu lassen, ist offenbar gut abgesichert. Und dann sagt die Städtetagspräsidentin Frau Roth mit Blick auf leere kommunale Kassen: „Wir lehnen es ab, Sozialamt der Bundesrepublik zu sein.“ Dabei hat sie vermutlich mit zu verantworten, dass der Staat wie ein reicher „Onkel aus Amerika“ Gestalten im Zwielicht unfassbar hohe Renditen zuschiebt. Hallo, Politiker, Sie sind also einverstanden, dass Eigenverantwortung heißt, das Gemeinwohl zu einem geprügelten Hund machen? Motto: Misswirtschaft muss sich lohnen. BERND LIEFKE, Hamburg

Ein Täter

■ betr.: „Das Opfer seines Unterleibs“, taz vom 16. 2. 11

Nachdem ihr kürzlich den weißrussischen Hausarrest mit der Floskel „auf freien Fuß gesetzt“ umschrieben habt, nun das: Berlusconi Opfer seines Unterleibs. Was für ein grandioser Unsinn! Nicht die Tatsache, dass man jenseits der 70 noch junge Frauen attraktiv findet, ist der Skandal. Das dürfte nahezu allen heterosexuellen Männern so gehen; Werbung und Titelbilder entsprechender Medien belegen das anschaulich. Die Entscheidung aber, minderjährige Prostituierte reihenweise über die runzelige und vermutlich viagragestärkte Klinge springen zu lassen, die ist doch nicht in Berlusconis „Unterleib“ entstanden. Die entspringt seinem Kopf, und das macht aus ihm eben kein Opfer, für das man womöglich Verständnis haben müsste, sondern einen Täter, den man unerbittlich bekämpfen muss. Die taz bekleckert sich wahrlich nicht mit Ruhm. ANDREAS DUTSCHKE Hamburg

Ohne Schwung und Schnörkel

■ betr.: „Gutachter, Lobbyisten und Autoren“, taz vom 16. 2. 11

Vielen Dank für die Artikel zum Machtkampf um die Schrift der Grundschulkinder. Als unsere Tochter im vorletzten Jahr eingeschult wurde und schreiben lernte, waren wir erstaunt, dass den Buchstaben keinerlei Schwung- und sonstige Übungen vorausgingen, sondern sofort mit dem Schreiben von Buchstaben begonnen wurde. Als dann die Druckbuchstaben beherrscht wurden, trat die vereinfachte Ausgangsschrift in unser Leben. Auf Nachfrage in der Schule, warum die Kinder diese sehr umständliche Schrift mit den vielen Stopps lernen müssten, erklärte man uns, dass sie für feinmotorisch weniger entwickelte Kinder einfacher zu beherrschen sei.

In diesem Zusammenhang fielen mir verschiedene Situationen ein, die ich mit meinen Kindern erlebt hatte: An jeden Babywagen wird ein Brett montiert, um dem älteren Geschwister das Zufußgehen zu ersparen. Beim Zahnarzt lautet die Empfehlung: elektrische Zahnbürste, denn dann müssen die armen Kinder nicht mehr so anstrengend selber schrubben. Im Schuhladen finden sich nur noch Schuhe mit Klettverschluss.

Zähne putzen und Schleifen binden wären Möglichkeiten, die Feinmotorik zu trainieren. Mit der allgemeinen Haltung, uns selbst und vor allem unseren Kindern immer alles ohne Anstrengung zu ermöglichen, sind wir selbst die Verursacher von – nicht nur feinmotorisch – unterentwickelten Kindern: Generation Kiddy-Board. ANGELIKA DÖRR, Freiburg