Landwirte werden Energiewirte

In Brandenburg werden vermehrt Felder zur Energiegewinnung bewirtschaftet. Dank steigender Nachfrage bekommen Bauern neben der Pflanzen- und Tierproduktion ein drittes Standbein

VON RICHARD ROTHER

Energetisch gesehen sind sich ein Stück Holz und ein Stück Kohle, ein Liter Pflanzenöl und ein Liter Erdöl ähnlich – in allem ist die Energie der Sonne gespeichert, die Pflanzen mit Hilfe der Fotosynthese in Biomasse umgewandelt und so für den Menschen nutzbar gemacht haben. Während aber Erdöl und Erdgas vor Millionen von Jahren entstanden, tief in der Erde schlummern und demzufolge endlich sind, können Bäume und Feldfrüchte Jahr für Jahr nachwachsen. Der ständig steigende Erdölpreis und die Furcht vor unzuverlässigen Energielieferungen führen zu einer verstärkten Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen. Und sie bieten den Brandenburger Bauern neue Einnahmequellen.

„Der Markt brummt und boomt“, freut sich Holger Brantsch. Der Sprecher des Brandenburger Bauernverbandes sieht das waldreiche Bundesland ganz weit vorn bei der Erzeugung und Nutzung nachwachsender Rohstoffe. „Die Biogas-Anlagen schießen wie Pilze aus dem Boden“, sagt Brantsch. Gefüttert werden die Anlagen von den Bauern, die sich so ein zusätzliches ökonomisches Standbein schaffen können.

Zwar schätzt Brantsch den Anteil der nachwachsenden Rohstoffe am Gesamtgeschäft der Bauern auf unter 10 Prozent, die Tendenz ist aber steigend. Jeder Boom bringt allerdings auch Probleme mit sich. „Wir müssen aufpassen, dass genug Futter für die Tiere übrig bleibt“, betont Brantsch. Denn Tiere und Biogas-Anlagen futtern dasselbe – Mais. Raps hingegen ist der Rohstoff für Biodiesel, der – anders als es der Begriff vermuten lässt – nicht von Biobauern, sondern von konventionell wirtschaftenden stammt.

Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau sieht denn auch Probleme beim Boom der Bio-Energie. „Natürlich freue ich mich über jeden Liter Erdöl, der ersetzt wird.“ Raps sei allerdings keine besonders effektive Pflanze und deshalb eher eine Übergangslösung. Und: „Ohne Insektizide und Dünger kriegt man den Raps nicht hoch.“ Die Zukunft gehöre Anlagen, die aus jeder Pflanze Bioethanol herstellen könnten. So könne man Kraftstoffe mit Pflanzen herstellen, die pro Hektar deutlich mehr Ertrag als Raps lieferten, etwa eine schnell wachsende Schilfart. Eine wichtige Funktion habe der Rapsdiesel aber dennoch erfüllt: „Er hat das Bewusstsein für nachwachsende Rohstoffe gestärkt.“

Nicht unkritisch sieht Wimmer allerdings auch den verstärkten Anbau von Mais, mit dem viele Biogasanlagen betrieben werden. Mais ist nach der Aussaat sehr erosionsanfällig, auf abschüssigen Feldern könnte ein kräftiger Frühjahrsregen so den Humus wegspülen. Zudem wird auch Mais chemisch behandelt und gedüngt. Und wenn Bauern die Tierhaltung zugunsten der Energieerzeugung aufgäben, fehle ein Schritt zur „Veredelung“ landwirtschaftlicher Produkte. „Das gefährdet Jobs“, meint Wimmer.

Ein wichtiger Rohstoff der Zukunft ist Holz – auch in Brandenburg. Immerhin hat die rasant steigende Nachfrage schon dazu geführt, dass der Holzpreis sich dem Heizölpreis annäherte. Um die Nachfrage zu befriedigen, könnten großflächig schnellwachsende Hölzer wie Pappeln, Weiden oder Robinien angepflanzt werden. Deren Vorteil: Pflanzenschutzmittel sind nicht nötig. Außerdem treiben diese Baumsorten nach dem Fällen immer wieder neu aus, wenn die Wurzeln im Boden bleiben. Eine aufwändige Neuanpflanzung wäre nicht nötig.

Die große Nachfrage nach Holz hat schon zu völlig neuen Jobmodellen in Brandenburg geführt. Früher holten die Bauern Reisig, Äste und kleine überflüssige Bäume aus dem Wald, um ihre Öfen zu heizen. Ähnlich, nur moderner geht Falk Brune aus Zempow vor. Mit mehreren Mitarbeitern durchforstet er Wälder und verarbeitet das Kleinholz mit großen Maschinen zu Holzhackschnitzeln, die in entsprechenden Öfen wenig arbeitsintensiv verbrannt werden können. Vorteile hat das für alle: Der Forstbesitzer kriegt einen aufgeräumten Wald, Brune hat eine Einnahmequelle und seine Kundschaft eine warme Stube – ohne fossile Brennstoffe zu verbrauchen.