Fischbestände bis 2050 ausgerottet

Eine internationale Studie warnt vor der ausbeuterischen Fischerei. Schutzgebiete können den Kollaps verhindern

BERLIN taz ■ Die Ökosysteme im Meer werden zusammenbrechen, wenn die Fischbestände weiter so ausgebeutet werden wie heute. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie, die gestern in der Zeitschrift Science vorgestellt wurde. Die Forscher stellten fest, dass der Zustand des Ökostystems sich umso schneller verschlechtert, je mehr Arten es verliert.

„Indem wir Arten verlieren, verlieren wir die Produktivität und Stabilität ganzer Ökosysteme“, sagt der Meeresbiologe Boris Worm von der kanadischen Dalhousie-Universität. „Es hat mich schockiert und erschreckt, wie stetig diese Trends sind – weit jenseits dessen, was wir erwartet haben.“

Worm und seine Kollegen haben über vier Jahre hinweg alle vorhandenen Daten über die im Meer lebenden Arten und die dortigen Ökosysteme ausgewertet. Sie analysierten die Ergebnisse aus 32 Experimenten, aus der Beobachtung von 48 geschützten Meeresgebieten und den Erhebungen der Welternährungsorganisation. Außerdem verfolgten sie die Geschichte von zwölf Küstenregionen zurück bis ins Jahr 1000.

Das Ergebnis ist alarmierend: Wird der heutige Trend nicht gebrochen, werden die Bestände an Fischen, Muscheln und Krebsen, die heute befischt werden, bis 2050 zusammenbrechen. Das bedeutet, dass sie zu jeweils 90 Prozent ausgerottet wären. Schlimmer noch: Mit jeder Art, die aus einem Ökosystem verschwindet, verringert sich dessen Produktivität. Es kann die Ausbreitung von Krankheiten schlechter bremsen, Gifte schlechter herausfiltern und ist anfälliger für Belastungen wie die Überfischung und den Klimawandel. Je mehr Arten verschwinden, desto schneller vollzieht sich dieser Prozess.

„Der Ozean ist ein großes Recycling-Becken“, sagt Steve Palumbi von der Stanford-Universität. „Er nimmt Abwasser auf und macht daraus Nährstoffe. Er filtert Gifte aus dem Wasser und verwandelt Kohlendioxid in Nahrung und Sauerstoff.“ Verliert er diese Fähigkeiten, könnte das für die Menschheit lebensbedrohlich werden.

„Jede Art zählt“, sagt der aus Kiel stammende Worm. Die Studie zeige aber auch, dass es für eine Umkehr noch nicht zu spät sei. Einige Arten könnten sich innerhalb von 3 bis 10 Jahren erholen. Dafür müsste allerdings ein Ökosystem-Management eingeführt werden. Als sinnvoll hätten sich etwa Meeresschutzgebiete erwiesen. In den 48 bisher existierenden habe sich der Zustand des Ökosystems stark verbessert. GERNOT KNÖDLER