Kein Grund zum Gruseln

Pro: Der „Deal“ im Prozess gegen Peter Hartz war angemessen. Künftig sollen solche Absprachen auch gesetzlich geregelt werden. Das ist gut für das Recht und die Bürger

Der völlige Verzicht auf Absprachen führte zu einer zu starken Belastung der Justiz

Wenn ein Strafverfahren per „Deal“ abgeschlossen wird, provoziert das. Nicht nur im Fall Peter Hartz. Mit der Gerechtigkeit soll man keinen Handel treiben, sagen besorgte Leitartikler. Die Strafen fielen skandalös niedrig aus, warnen die einen, weil die Richter ein Geständnis mit zu viel Milde belohnen. Andere befürchten, dass Unschuldige verurteilt werden, weil sie von einer faulen oder überlasteten Justiz zum Geständnis erpresst werden. Jedenfalls wollen die Kritiker den guten alten Strafprozess zurückhaben, bei dem das Ergebnis noch akribisch und gerecht ermittelt wurde.

Früher war alles besser? Auch vor hundert Jahren wurde auf den Gerichtsfluren gefeilscht und gehandelt. Schließlich erleichterte ein Geständnis auch damals die Arbeit der Justiz. Und wenn das Geständnis die Aufklärung anderer Straftaten erlaubte, wurde auch dies strafmildernd berücksichtigt. Seit zwei, drei Jahrzehnten geschieht so etwas aber offen. Eine Absprache zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung muss heute in der Hauptverhandlung transparent gemacht werden. Und das ist gut.

Natürlich sind mit solchen Deals Risiken verbunden. Niemand bestreitet das. Doch weil die Absprachen heute als Faktum akzeptiert sind, konnte die Rechtsprechung klare Bedingungen einführen. So muss auch bei einem Deal die Strafe im Ergebnis „schuldangemessen“ sein. Das Gericht darf sich nicht auf ein Geständnis verlassen, wenn weitere Ermittlungen nahe liegen. Der Angeklagte darf nicht zum Verzicht auf Rechtsmittel gedrängt werden, sodass er das Urteil in der nächsten Instanz überprüfen lassen kann, wenn er sich über den Tisch gezogen fühlt.

Künftig sollen solche Deals und ihre Voraussetzungen sogar gesetzlich in der Strafprozessordnung geregelt werden. Auch das ist zu begrüßen, schließlich ist die Regel die Feindin der Willkür. Und wer die vorgesehenen Sicherungen nicht für ausreichend hält, soll bessere vorschlagen.

Der völlige Verzicht auf verfahrensabkürzende Absprachen wäre dagegen eine zu starke Belastung der Justiz. Die Wartezeiten auf einen Strafprozess würden stark ansteigen. Die Folge wären Verhandlungen, bei denen sich kaum ein Beteiligter noch richtig ans Tatgeschehen erinnern kann. Keiner will das. Manche fordern deshalb eine drastische Erhöhung der Richterzahl. Doch das ist vollkommen unrealistisch.

Die Vorstellung, man brauche nur genug Ressourcen für die Justiz, dann würde schon in jedem Prozess die Wahrheit herauskommen, ist auch zu romantisch. Schließlich hat der Angeklagte ein Schweigerecht, ihm nahe stehende Zeugen ebenfalls. andere Zeugen wollen sich einfach nicht erinnern.

Ob ein Hartz-Prozess mit 50 Verhandlungstagen und noch mehr Zeugen bessere Ergebnisse erbracht hätte als der jetzige zweitägige Prozess mit Deal-Geständnis? Das ist reine Spekulation. Hartz’ Aussage ist jedenfalls plausibel, und das verabredete Urteil – maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung – scheint angemessen, da Hartz nicht vorbestraft ist und sich bei den rechtswidrigen Zahlungen an Betriebsrat Volkert nicht bereichert hat.

Natürlich hat Peter Hartz von einem guten Verteidiger profitiert, der bei den Absprachen seine Interessen wahrte. Aber das ist im „klassischen“ Strafprozess nicht anders, auch dort sind reiche Angeklagte mit teuren Anwälten privilegiert. Gute Richter und Staatsanwälte haben das im Blick – mit oder ohne Deal.

Deals wird es also immer geben. Angesichts knapper Ressourcen sogar mehr als früher. Es besteht deshalb Grund zur Wachsamkeit, aber nicht zum Gruseln. CHRISTIAN RATH