Zum Abschied einen Gipfel-Kracher

Der scheidende Innenminister Gottfried Timm warnt vor dem G-8-Gipfel in Schwerin – weil der das Land überfordere

Mit seinem Abschiedsgruß hat sich der scheidende sozialdemokratische Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns noch einmal alle Aufmerksamkeit gesichert. Mecklenburg-Vorpommern sei „derzeit aus finanzpolitischer und sicherheitspolitischer Sicht nicht in der Lage“, den G-8-Gipfel im kommenden Sommer auszurichten, verkündete der dem Koalitionspoker geopferte Gottfried Timm. Diese von ihm vorgetragenen Bedenken, so der Noch-Minister, hätten auch zu Differenzen mit Regierungschef Harald Ringstorff (SPD) geführt.

Mecklenburg-Vorpommern kann den G-8-Gipfel in Heiligendamm nicht wuppen? Da mussten sich die Fachpolitiker die Ohren reiben. Siegfried Friese, ebenfalls Genosse und bis vor zwei Wochen Vorsitzender des Innenausschusses im Landtag, versichert: Im Parlament habe der Minister darüber nichts verlauten lassen. Natürlich werde Mecklenburg-Vorpommern den G-8-Gipfel finanziell nicht alleine bewältigen können. Es sei auf die Unterstützung durch die Polizeibeamten anderer Länder und des Bundes angewiesen. Aber dies gelte als lösbares Problem. Was also hat Timm gemeint? Kein Kommentar, heißt es dazu aus der Pressestelle des Ministeriums. Angesichts seines Ausscheidens werde sich Timm dazu nicht mehr äußern. Und sein Nachfolger Lorenz Caffier (CDU) will die Einlassung nicht öffentlich interpretieren. „Der G-8-Gipfel ist eine große Chance für das Land“, versichert er – und die Koalition werde „alle eventuell anstehenden Probleme“ lösen.

Nicht ganz so freundlich äußert sich die Gewerkschaft der Polizei: „Wenn Herr Timm Bedenken hatte, hätte er das sagen sollen, als er noch im Amt war“, sagt GdP-Landeschef Michael Silkeit, „bisher ist mir davon nichts bekannt.“ Silkeit selbst hat keine Sicherheitsbedenken. Denn beim Gipfel bekomme die Landespolizei ja Unterstützung von Kollegen aus dem Bundesgebiet.

Die ungeklärte Frage jedoch ist: Wer soll das bezahlen? Bisher hat Schwerin in seinem Haushalt 10 Millionen Euro für Heiligendamm reserviert. Reichen wird das nicht. Im Koalitionsvertrag haben SPD und CDU zwar dieser Tage festgeschrieben, dass alle weiteren Kosten „durch den Bund erstattet werden müssen“. Doch der Bund hat das bisher nicht zugesagt.

Eine Bereitschaftseinheit der Polizei von 400 bis 500 Mann kostet laut GdP pro Tag 200.000 Euro. Beim Bush-Besuch im Juli mussten 9.500 Beamte aus anderen Bundesländern die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern unterstützen, beim G-8-Gipfel werden es noch mehr sein. Hinzu kommen Kosten für Zäune und anderes Equipment, das G-8-Gegner fern halten soll. Mit 45 Millionen Euro dürfte der Gipfel nach Schätzungen von Experten tatsächlich zu Buche schlagen. Dem Bund der Steuerzahler sind diese inoffiziellen Prognosen zu wenig: „Die Leute haben ein Recht darauf, zu erfahren, was sie für den G-8-Gipfel bezahlen“, sagt Landessprecher Christian Schwießelmann.

Traditionell muss eigentlich stets das Bundesland für den Einsatz fremder Polizeikräfte aufkommen, auf dessen Boden er stattfindet. Diese Regel müsse beim G-8-Gipfel gebrochen werden, fordert PDS-Landeschef Peter Ritter. Nicht zuletzt, weil Mecklenburg-Vorpommern überhaupt nicht der Veranstalter des G-8-Gipfels sei. Der PDS-Mann lobt, dass die neue Regierung postuliert habe, nicht mehr als die geplanten zehn Millionen für den Gipfel auszugeben. Allerdings hält er diese Passage im Koalitionsvertrag für „eine ziemlich wackelige Brücke“. Denn das Bush-Grillfest im Sommer habe ebenfalls nicht auf Einladung Mecklenburg-Vorpommerns stattgefunden. Dennoch drohe das Land auf den Kosten sitzen zu bleiben. Bisher jedenfalls macht der Bund keine Anstalten, Schwerin einen Scheck für die von Ringstorff angeprangerte „teuerste Grillparty der Welt“ auszufertigen.

ASTRID GEISLER, DANIEL SCHULZ