Hoher Besuch aus Rio

Kooperationen haben To Rococo Rot noch nie gescheut. Ihr Album „Musik Is A Hungry Ghost“ von 2001 etwa entstand in Zusammenarbeit mit dem Produzenten I-Sound und präsentierte das Berlin-Düsseldorfer Trio ergänzt um die Geigenklänge des Pop-Avantgardisten Alexander Balanescu. Zuvor schon hatten sie ein Mini-Album mit dem Londoner Musiker Darryl Moore alias D veröffentlicht. Erstaunlich daran war höchstens, dass To Rococo Rot, genauer gesagt Robert und Ronald Lippok und Stefan Schneider, eine so in sich gekehrte elektronisch verpuppte Version von Post-Rock spielen, dass man meinen könnte, sie hätte überhaupt keine instrumentale Verstärkung nötig.

Insofern ist es allemal eine Meldung, dass To Rococo Rot, nach fünf Jahren Pause, auf ihrer jüngsten Platte „Instrument“ nicht nur einen neuen Gast, sondern zum ersten Mal auch Gesang in ihrer Musik haben. Dass es sich dabei um den US-amerikanischen No-Wave-Veteran und Bossa-Noise-Pionier Arto Lindsay handelt, ist die nächste Sensation. Man kennt und schätzt sich seit einiger Zeit. Jetzt war der Moment gekommen, die gegenseitige Zuneigung musikalisch zu dokumentieren.

Der in Rio de Janeiro lebende Lindsay kam eigens nach Berlin, um drei Nummern des Albums seine Stimme zu leihen. Songs im engeren Sinne sind daraus nicht geworden, die Musik von To Rococo Rot folgt eher dem Aufbau von Tracks, mit Stefan Schneiders singenden Bassfiguren, die sich genauso hartnäckig wiederholen wie die reduziert swingenden Schlagzeugfiguren Ronald Lippoks, von den elektronischen Elementen Robert Lippoks ganz zu schweigen.

Arto Lindsays assoziative Texte, mehr geflüstert als gesungen, fügen sich wie eine weitere Spur zu den Klängen, bleiben jedoch stets als Gesangspart zu erkennen. Hinzu kommt die Lindsay-typische Gitarre, die der Musiker seit seiner Frühzeit mit Bands wie DNA, den Lounge Lizards oder den Ambitious Lovers konsequent als jäh draufloskratzendes Rhythmusinstrument ohne eindeutige Töne einsetzt.

Die Musik der Lippoks und Schneiders erinnert in manchem an die Anfänge der Band, ist insgesamt aber etwas verspielter ausgefallen, ohne sich für dieses „Experiment“ von vertrauten Grundstrukturen verabschieden zu wollen. Die letzte Nummer „Longest Escalator in the World“ hingegen scheint ganz auf Lindsay zugeschnitten, lässt seinen Gitarren-Abstraktionen viel Raum, bevor auf halber Strecke, beinahe unerwartet, sein Gesang einsetzt.

TIM CASPAR BOEHME

■ To Rococo Rot: „Instrument“ (City Slang/Universal)