„Das Paket lässt sich ganz wunderbar vermarkten“

Ohne Stress mit der Bahn in die geschützte Natur. Die Kooperation „Fahrtziel Natur“ verbindet umweltfreundliche Anreise und Weiterfahrt vor Ort mit konkreten Reisearrangements in den Schutzgebieten

taz: Frau Greve, was bedeutet „Fahrtziel Natur“?

Susanne Greve: Fahrtziel Natur ist eine Kooperation der Deutschen Bahn mit den vier großen deutschen Umweltverbänden, dem BUND, dem Nabu, dem VCD und dem WWF. Alle Teilnehmer haben sich zum Ziel gesetzt, die umweltfreundliche Anreise, die nachhaltige Mobilität und den sanften Tourismus in den deutschen Großschutzgebieten zu fördern. Zu den 15 deutschen Zielen kommt in diesem Jahr der Schweizerische Nationalpark im Kanton Graubünden hinzu. Die Großschutzgebiete, also Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturparke, die sich beteiligen wollen, müssen sich bei Fahrtziel Natur bewerben.

Welche Kriterien müssen die Kandidaten denn erfüllen?

Bei den Kandidaten muss es sich um touristisch attraktive Großschutzgebiete handeln. Eine gewisse Infrastruktur und ein Mindestangebot an öffentlichem Verkehr müssen vorhanden sein. Zum Beispiel gibt es im Nationalpark Eifel vom Bahnhof Kall den Nationalpark-Shuttlebus. Im Natur- und Nationalpark Bayerischer Wald gibt es ein ausgeklügeltes System zwischen Bus und Bahn. Und im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe, wo der Schwerpunkt auf dem Radtourismus liegt, ist vom Bahnhof Wittenberge der direkte Anschluss an den Elberadweg geplant. Außerdem muss ein regionaler Ansprechpartner für Fahrtziel Natur zur Verfügung stehen. Für das erste Jahr müssen Bewerber 25.000 Euro einbringen. Damit werden die Werbemaßnahmen für das Gebiet finanziert.

Mit dem Slogan „Nur eine Bahnfahrt entfernt“ werben Sie für die „exotischen Reiseziele in Deutschland“. Wie gut sind denn die Bahnverbindungen in die Naturregionen?

Insgesamt fahren fast 1.000 Züge, darunter 100 Fernverkehrszüge, die fast 200 Bahnhöfe und Haltepunkte in den Regionen an. Wer Interesse an einem Ziel hat, der kann auf unserer Webseite die voreingestellte Fahrplanauskunft anklicken. Und dort nicht nur den Abfahrtsbahnhof, sondern auch die Busverbindungen daheim und am Zielort herausfinden.

Wird der Zug zur Natur aber nicht peu à peu gestoppt, weil gerade naturnahe ländliche Regionen zunehmend vom Schienenverkehr abgekoppelt werden, nicht rentable Trassen stillgelegt oder zunehmend von Privatbahnen betrieben werden?

Mit Bahnpolitik und Ausschreibungen für Strecken haben wir gar nichts zu tun, das wird an anderer Stelle entschieden. Wir als Fahrtziel Natur machen bei der Bahn schwerpunktmäßig Marketing und Vertrieb.

Seit sechs Jahren gibt es die Fahrtziel-Natur-Kampagne. Wie sieht die Zwischenbilanz aus?

Es werden immer noch Bewerbungen von Naturregionen an uns herangetragen. Im Durchschnitt haben wir pro Jahr 180.000 Seitenaufrufe mit steigender Tendenz auf unserer Webseite www.fahrtziel-natur.de, wo übrigens auch 250 Seiten mit Naturreisetipps stehen.

In den ersten Jahren war Fahrtziel Natur eine reine Informationsplattform für Bahnfans und Naturtouristen. Kann man jetzt auch Reisearrangements buchen?

Ja, wir haben auf unserer Webseite nicht nur Tipps, wie man sich „auf eigene Faust“ im Schutzgebiet bewegt, sondern eine Menge konkreter buchbarer Eintages- und Mehrtagesangebote. Zum Beispiel im Bayerischen Wald „Reisen im Einklang mit der Natur“ – sieben Übernachtungen, Halbpension und Extras ab 329 Euro pro Person. Bei umweltfreundlicher Anreise gewährt das Hotel bis zu 40 Prozent auf das Bahnticket. Oder im Müritz Nationalpark das Angebot „Paddel und Pedale“ – sieben Tage ab 499 Euro, bei Bahnanreise zehn Prozent Rabatt gegen Vorlage des DB-Fahrscheins.

Wie profitieren die Einheimischen in den Naturregionen vom Fahrtziel Natur-Projekt?

Die Regionen haben ja viel Naturtouristisches zu bieten. Dies erkennen auch die Gastgeber in den Nationalparken und schnüren zunehmend Reisearrangements mit speziellen Angeboten, die einen Schutzgebietsbezug haben. Das Paket lässt sich wunderbar vermarkten. Da ist die Eifel schon sehr weit, andere Regionen stehen erst am Anfang.INTERVIEW: GÜNTER ERMLICH