Die Unküssbare

Merkel, Angela: 1954 geboren in Hamburg und aufgewachsen in der DDR. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde Merkel als Schützling des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl eine christdemokratische Politikerin. Seit 2000 war sie Vorsitzende ihrer Partei, der CDU, und seit 2005 Regierungschefin in wechselnden Koalitionen. Erst seitdem wurde sie auch in Frankreich wahrgenommen. Als Kanzlerin hat sie sich stets für die deutsch-französische Freundschaft ausgesprochen, aus französischer Sicht aber vor allem deutsche Wirtschaftsinteressen vertreten. Ihre harte Sparpolitik ließ in Frankreich rechtspopulistische Kritik an der EU und am Euro erstarken. Die von ihr geteilte Ideologie des starken Euro wurde von einem großen Teil der französischen Linken für die Probleme der heimischen Exportindustrie verantwortlich gemacht. Politische Vorstöße aus Paris wie Nicolas Sarkozys Initiative für eine „Mittelmeerunion“ oder sein Versuch, Deutschland für eine maßgebliche Beteiligung an der militärischen Auslandsoperation in Libyen zu gewinnen, stießen bei Merkel auf Ablehnung. Ausdruck der Schwäche der Pariser Staatsführung gegenüber Berlin war während der Präsidentschaft Sarkozy der Karikaturbegriff „Merkozy“. In Frankreich amüsierte es, dass sich die protestantische Merkel anfänglich vom überschwänglichen Sarkozy nicht küssen lassen wollte. Nach der Wahl von François Hollande zum Präsidenten 2012 blockte Merkel den französischen Versuch ab, den Stabilitätspakt mit einer ebenso verbindlichen und effektiven Wachstumspolitik durch Eurobonds zu ergänzen. Ab 2014 setzte die französischen Sozialisten Hoffnungen auf eine Annäherung, als die Sozialdemokraten in eine Große Koalition mit Merkels Christdemokraten gingen.

RUDOLF BALMER, PARIS