Gedenken an Shoah und Widerstand

Heute ist der Gedenktag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee. Mit Zeitzeugen, Filmen und Lesungen finden zahlreiche Veranstaltungen statt, in Hamburg-Nord die „Wochen des Gedenkens“

„Hinter dem ungeheuerlichen Leid der Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen in Europa steht die Wahrnehmung des Widerstands bis heute zurück. Es scheint immer noch schwer zu sein anzuerkennen, dass es auch Menschen gab, die unter höchstem persönlichen Einsatz gegen die Besatzer und den Völkermord gekämpft haben“, so der Historiker Moritz Terfloth, 38, zur Frage der taz hamburg, warum der jüdische kommunistische Widerstand bis heute kaum wahrgenommen wird.

Terfloth ist Mitglied im Vorstand des Auschwitz-Komitees, das eine Veranstaltung zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am heutigen 27. Januar organisiert. Es gibt die seltene Gelegenheit, einem Mitkämpfer über den bewaffneten Widerstand jüdischer Kommunisten gegen die deutschen Besatzer in Frankreich zuhören zu können: „Unser Gast aus Frankreich ist der Widerstandskämpfer Max Tzwangue, Jahrgang 1925. Heute lebt er in Paris. Er kämpfte schon als 18-Jähriger in der französischen Résistance. In den Stadtguerilla-Einheiten der FTP-MOI, France-tireurs et partisans – Main-d’oeuvre immigrée, beteiligte er sich an Sabotageaktionen und Angriffen auf die deutschen Besatzer in Lyon, Grenoble und im Maquis Perigord“, wie Helga Obens, ebenfalls im Auschwitz-Komitee aktiv, ausführt: „Der 1941 gegründeten kommunistischen FTP-MOI gehörten vor allem junge Jüdinnen und Juden an, deren Familien von den Nazis in die Vernichtungslager deportiert worden waren. Die FTP-MOI waren mit ihren Sabotageaktionen, mit ihren Angriffen auf SS und Wehrmacht ein zentraler Faktor im bewaffneten Kampf gegen die deutschen Besatzer.“

Es gibt am Sonntag noch eine zweite Veranstaltung mit einer Zeitzeugin. Auf der Gedenkfeier der Bezirksversammlung Hamburg-Nord, welche die „Wochen des Gedenkens“ initiiert hat, wird Esther Bauer, 82, sprechen. Sie ist aufgewachsen in Eppendorf. Als 15-Jährige musste sie den Judenstern tragen und durfte den Kellinghusenpark nicht mehr betreten, in dem sie als Kind gespielt hatte. Mit 18 wurde sie mit ihrer Familie in das KZ Theresienstadt deportiert. Ihr Vater starb dort, ihre Mutter überlebte das KZ Auschwitz nicht. Esther Bauer wurde Zwangsarbeiterin in der Rüstungsproduktion, 1944 aus dem KZ Mauthausen befreit. Heute lebt Esther Bauer in New York.

In den kommenden Wochen gibt es in Hamburgs Norden weitere Veranstaltungen. Spuren der Zwangsarbeit sind ab dem 4. 2. im Wilhelm-Raabe-Weg zugänglich. Die Willi-Bredel-Gesellschaft hat dort mit großem Einsatz den Abriss der letzten Baracken von Zwangsarbeitern verhindert und diese restauriert. Die dort eingesperrten, zumeist sowjetischen Zwangsarbeiter mussten beim Ausbau des Hamburger Flughafens mitarbeiten.

Melancholisch einfühlsame wie auch heitere Gedichte von Mascha Kaléko werden mit musikalischer Begleitung am 1. 2. im Kulturhaus Dehnhaide vorgetragen. Beeindruckende Gedichte einer Schriftstellerin, die im Oktober 1938 aus Berlin in die USA entkam, bevor Deutsche sie als Jüdin ermorden konnten, und die fast vergessen war. 1945 schrieb sie das „Frühlingslied für Zugereiste“: „Alles um mich her blüht im Sonnenlicht. Doch der Frühling hier ist mein Frühling nicht. Sagtest du: daheim? Räuber sind gekommen, haben Licht und Luft und Daheim genommen.“ Mascha Kaléko lebte später in Israel, wo ihr die deutsche Sprache fehlte. Sie starb 1975.

GASTON KIRSCHE

„Auschwitz darf niemals in Vergessenheit geraten“ – Gedenkfeier der Bezirksversammlung Hamburg-Nord mit der Shoah-Überlebenden Esther Bauer, 28. 1., 11 Uhr, Großer Sitzungssaal, Robert-Koch-Straße 17.„Gegen das Vergessen“ – Veranstaltung des Auschwitzkomitees mit Max Tzwangue, 28. 1., 13 Uhr, Polittbüro, Steindamm 45.„Zwangsarbeit in Hamburg“ – Sonderöffnung der Ausstellung, 4. 2., 14–16 Uhr, Informationszentrum Zwangsarbeit, Wilhelm-Raabe-Weg 23.„Mascha Kaléko – Die ganze Welt ist Himmelgrau“ – Musikalische Lesung mit Inka Hahn, 1. 2., 20 Uhr, Kulturhaus Dehnhaide, Vogelweide 20 b.

Programm der Wochen des Gedenkens vom 21. 1. bis 11. 2.: www.buecherhallen.de/cct_neu/hoeb/data/Flyer_Auschwitz_2007.pdf