Glaubenskrieg auf Brettern

Im Streitgespräch über verträglichen und unerträglichen Wintersport im Zeichen des Klimawandels: Die taz-nord-Redakteure Philipp „die Pistensau“ Dudek und Sven-Michael „der Loipenschleicher“ Veit

Sven: Wie kannst du es eigentlich verantworten, in den Alpen Abfahrtshänge runterzusausen?

Philipp: Rein ökologisch betrachtet, kann ich es nicht verantworten, aber alpines Skifahren macht unheimlich viel Spaß.

Sven: Ach? In langen Schlangen mit dem Lift rauf, und einmal wieder runterbrettern. Ist doch total langweilig.

Philipp: Du hast keine Ahnung. Es gibt rote und schwarze Pisten, Buckelpisten und Tiefschneehänge, und Tourengehen kann man da oben auch. Wenn etwas langweilig ist, dann in Loipen durch den Wald zu schleichen so wie du.

Sven: Gespurte Loipen im Harz sind natürlich nicht der Hit, aber wer das mag, soll es tun. Ich laufe ja immer in Norwegen quer durch die Berge. Totale Natur, totale Stille, und die einzigen Spuren, die ich hinterlasse, sind nach ein paar Stunden oder Tagen wieder zugeweht.

Philipp: Schön und gut, aber mal so ein bisschen auf Tempo kommst du da doch nicht. Das ist doch keine Herausforderung.

Sven: Die längste Abfahrt zurück ins Tal ist rund drei Kilometer lang und hat einen Höhenunterschied von etwa 350 Metern. Da traut sich manche von euch Pistensäuen mit den kurzen Brettern kaum runter.

Philipp: Da bin ich ja schwer beeindruckt. Aber ich muss schon darauf bestehen, dass ich persönlich überhaupt nichts kaputtmache. In den französischen Alpen gibt’s Orte, die betonieren die Abfahrtspisten. Frevel. Da würd ich nie hinfahren …

Sven: In Bayern oder Österreich ist es doch auch nicht besser. Täler voller Bettenburgen und gerodete Hänge voller Skilifte. Und im Frühjahr, wenn die Pisten abschmelzen, erodiert alles. Und dann kommen die Berge eben auch mal runtergerutscht.

Philipp: Ich habe doch schon gesagt, dass ich das ökologisch nicht rechtfertigen kann. Aber man wird doch auch mal drei Tage Spaß haben dürfen, du Gutmensch.

Sven: Was soll’s. Ist ja eh bald vorbei. In Davos oder St. Moritz liegen zurzeit gerade mal 40 Zentimeter Schnee. Dann musst du bald in diese energiefressenden Skihallen fahren, so wie die in der Lüneburger Heide, und unterm Dach auf Kunstschnee runterrutschen. Bestimmt ein Heide-Spaß.

Philipp: Naja. Aber wenn es keinen Schnee mehr gibt, kannst du auch nicht langlaufen.

Sven: In meinem Tal in der Hardangervidda in Norwegen, wo ich jeden März hinfahre, liegen aktuell immerhin 100 Zentimeter. Und oben auf den Bergen noch etwas mehr. Aber natürlich – wenn das so weitergeht mit der Erwärmung, muss ich wohl immer weiter nach Norden rauf. Aber Norwegen ist ja lang.

Philipp: Aber es ist doch trotzdem unbestreitbar, dass Langlauf einfach mit alpinem Skifahren nicht konkurrieren kann. Da hat man tolle Naturerlebnisse, und körperlich wird man auch gefordert. Langlaufen ist doch was für Memmen…

Sven: Also wirklich! Langlauf ist erwiesenermaßen die gesündeste und ganzheitlichste aller Sportarten. Das bringt Kondition ohne Ende, es gibt keinen Muskel und keine Sehne, die nicht in Bewegung ist. Und wenn ich sechs, sieben Stunden die Berge raufgestiefelt und wieder runtergefahren bin, dann spüre ich am nächsten Morgen haufenweise Muskeln, von deren Existenz ich gar nichts geahnt habe.

Philipp: Die spüre ich nach Abfahrten auch ...

Sven: Weil du untrainiert bist…

Philipp: Ja gut… Mir erschließt sich trotzdem nicht, wie man am Langlaufen Spaß haben kann. Allein schon all diese albernen Nordic-Walker in den Parks …

Sven: Ja. Es gibt Auswüchse, das muss ich einräumen.