Atomgutachten haben Schrauben locker

Ein Sachverständiger, der fehlerhafte Dübel im hessischen Atomkraftwerk Biblis übersah, arbeitet auch für Schleswig-Holstein. Die hessische Landesregierung hat den Mann ablösen lassen. In Kiel will man an dem Gutachter festhalten

„Ob Statik oder Dynamik, ob Beton-, Stahl- oder Holzbau: Je mehr kreativer Ingenieurverstand gefragt ist, umso kompetenter sind wir“, wirbt das Bochumer Ingenieurbüro Stangenberg und Partner Ingenieur GmbH. Im vergangenen September aber hat der bisher betonsolide Ruf des bundesweit tätigen Unternehmens und seines Chefs, Diplom-Ingenieur Friedhelm Stangenberg, Risse bekommen.

Bei einer Überprüfung im Atomkraftwerk Biblis (Hessen) wurde festgestellt, dass zahlreiche Dübel falsch montiert waren. Die Spezialdübel sollen Rohrleitungen so verankern, dass sie auch bei Erschütterungen – verursacht durch Erdbeben oder Vibrationen in der Anlage – gesichert sind. Stangenberg war als Gutachter eingesetzt, er hätte die lockeren Schrauben erkennen müssen, erklärten Kritiker, allen voran die hessischen Grünen. Inzwischen hat die hessische Landesregierung ihn ablösen lassen.

Auch in Schleswig-Holstein ist der Gutachter Stangenberg tätig: 28 Aufträge erfüllte er zwischen 1997 und 2006. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor. Akkurat hat das für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerium darin aufgelistet, was Stangenberg bisher untersucht hat. Unter anderem ging es mehrfach um die Erdbebensicherheit des Brunsbütteler Meilers.

Dass der Diplomingenieur nun in Hessen unter Beschuss geraten ist, ficht die Kieler Behörde nicht an: „Wir werden weiter mit ihm zusammenarbeiten“, sagt Ministeriumssprecher Oliver Breuer der taz. „Wir sind mit ihm zufrieden.“ Alle Maßgaben für Gutachtertätigkeiten habe die Firma in vollem Umfang erfüllt, alle Verträge ordnungsgemäß ausgeführt. Welche Projekte in diesem Jahr geplant sind, konnte und wollte Breuer nicht sagen: Immerhin gehe es um sicherheitsrelevante und daher geheim gehaltene Auskünfte.

Der energiepolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Detlef Matthiessen, ist damit nicht zufrieden. Er forderte die Regierung auf, die Zusammenarbeit ruhen zu lassen, bis die Zuverlässigkeit der Firma erwiesen sei: „Die Tatsache, dass die eklatanten Fehler in Biblis durch die Prüfer nicht entdeckt wurden, muss das Vertrauen in deren Fachkompetenz erschüttern.“ Dazu sagte Sozialministeriumssprecher Breuer: „Wir haben ihn hinreichend überprüft. Es besteht kein Anlass, nicht mit ihm zusammenzuarbeiten.“ Esther Geißlinger