Wladimir Putin in Delhi zu Gast bei Freunden

Indien und Russland vereinbaren neue Rüstungsgeschäfte und einen Ausbau ihrer Atom-Zusammenarbeit

DELHI taz ■ Zur jährlichen Feier des Nationalfeiertags hatte Indiens Premierminister Manmohan Singh gestern einen ganz besonderen Ehrengast: den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Neben folkloristischen Darbietungen durfte dieser bei der großen Militärparade die waffenstarrende Verteidigungsbereitschaft Indiens bewundern. Rund 70 Prozent der indischen Rüstung stammen aus russischer Produktion oder Koproduktion. Rüstungsgeschäfte standen denn auch diesmal im Zentrum des zweitägigen Putin-Besuchs. Die erfolgreiche Zusammenarbeit bei BrahMos, dem Überschall-Marschflugkörper, soll auf eine Version mit luftgefeuerten Geschossen ausgeweitet werden. Beide Länder wollen auch ein militärisches Transportflugzeug entwickeln. Indien soll auch in die Entwicklung des Kampfflugzeugs Sukhoi-35 und neuer Helikopter einbezogen werden. Gleichzeitig hofft Moskau auf den Direktverkauf von Helikoptern, Triebwerken und U-Booten.

Gleichzeitig wollen beide Länder den Ausbau ihrer Atom-Zusammenarbeit. In verschiedenen Verlautbarungen vor dem Besuch hatte Putin den Willen Russlands signalisiert, sich innerhalb der Gruppe der Nukleartechnologie-Lieferanten für das Ende der Exportkontrollen von sensiblen „Dual use“-Gütern einzusetzen. Russland will Indien vier Leichtwasserreaktoren verkaufen, sobald Indiens bilaterales Nuklearabkommen mit den USA in Kraft tritt und die Nuclear Suppliers Group grünes Licht dafür gibt.

Indien seinerseits ist sehr daran interessiert, mit Prospektionsverträgen die langfristige Liefersicherheit für Erdöl zu festigen. Die staatliche Förderungsgesellschaft ONGC ist bereits mit 20 Prozent am Projekt Sachalin 1 beteiligt und interessiert sich für Blöcke in Sachalin 3, nachdem dort das Geschäft mit den amerikanischen Firmen Exxon/Mobil und Chevron rückgängig gemacht wurde. Bei der Erdgasversorgung hat Russland wiederum großes Interesse, am Bau und der Finanzierung von Pipelines von Iran über Pakistan nach Indien und von Turkmenistan über Afghanistan nach Pakistan und Indien beteiligt zu werden.

Früher bildeten die politischen Beziehungen das Fundament für den wirtschaftlichen Austausch. Trotz des Endes des sowjetischen Staates dominiert die staatliche Einmischung in wirtschaftliche Prozesse aber nach wie vor, nicht zuletzt wegen des langjährigen Abkommens, das Indien die Bezahlung in indischer Währung erlaubt und zu einer Aufblähung von Rupienguthaben bei der russischen Zentralbank geführt hat. Die beidseitige Bürokratie hat auch die Dynamik privatwirtschaftlicher Beziehungen gebremst. Der bilaterale Wirtschaftsverkehr beläuft sich auf nur 3 Milliarden US-Dollar. Präsident Putin möchte diese Zahl in den nächsten drei Jahren auf 10 Milliarden steigen sehen. Während Indien Russland bisher besonders als Handelsdrehscheibe für Osteuropa und Zentralasien angesehen hat, ist die russische Privatindustrie bisher kaum in Indien aktiv geworden – es sei denn in Form der Mafias, die sich bei Landkäufen, im Tourismus und bei der Prostitution bemerkbar machen. BERNARD IMHASLY