Kitsch mit Botschaft

Die ARD nimmt mit der neuen Telenovela „Rote Rosen“ (Montag bis Freitag, 14.10 Uhr) ihre Zuschauerinnen im besten Alter überraschend ernst

VON SILKE BURMESTER

Muss das sein? Muss eine öffentlich-rechtliche Anstalt sich noch weiter in den Telenovela-Reigen einreihen und mit einer Herz-Schmerz-Dramolette kostbare Sendezeit füllen, anstatt den Zuschauern mittels Sozialreportagen eine Anleitung zum Unglücklichsein an die Hand zu geben? Für 48 Minuten Sendezeit, täglich um 14.10 Uhr, entführt uns die ARD mit „Rote Rosen“ in Petras Welt ins beschauliche Lüneburg. Dort, wo man sommers auf der Ilmenau paddelt und winters „Angewandte Kommunikationswissenschaften“ studiert. Die Stadt, deren Reichtum auf Salz gründet. Dem „Salz vieler vergossener Frauentränen“, wie der verantwortliche Redakteur Dr. Bernhard Gleim das Publikum der Presseveranstaltung wissen ließ.

Er bumst und geht

Petra, das sei kurz gesagt, wähnt sich glücklich. „Wir sind angekommen!“ ist ihr Credo, bei der Betrachtung ihres Lebens mit Ehemann Thomas. Doch Thomas, so muss Petra erfahren, kommt neuerdings vornehmlich mit Miriam, Freundin seiner Töchter. Was folgt, ist tausendfach verfilmt und millionenfach real durchlitten: Die Ehefrau leidet, der Mann lügt. Er bumst und geht, sie bleibt und weint. Um das zu darzulegen, das Umfeld zu schildern, das Drama einzubetten, wird ausführlich erzählt: Töchter werden charakterisiert und die Schwiegermutter zum Drachen erhoben. Die beste Freundin in ihrer Stärke und Schwäche zur Sympathiefigur aufgebaut, Lüneburg in voller Blüte gezeigt. Klischees ebenso bemüht wie ein Ex-Lover, der es vom Schwiegermutterschreck zum Arzt ohne Grenzen geschafft hat: „Ich war in Afrika.“

Das alles ist so neu wie das Konzept „Frauenzeitschrift“ und doch anders als das, was bislang als Telenovela daherkam. Petra ist Ende vierzig. Mit ihrer Lebens- und Leidenswelt durchbricht die ARD die Zielgruppe der jungen Frauen, die sich erst noch finden müssen und vom Fernsehpublikum beim lustigen Auf und Ab der Schwärmerei für Mister Right begleitet werden. Mit Petra wird eine andere, für die Werbe- und Medienindustrie neu entdeckte Zielgruppe angesprochen: die Frau in den Vierzigern, die anders als die Generation ihrer Mütter nicht bereit ist, das Frausein mit nahendem Klimakterium einzuschläfern.

Angela Roy, die bereits in „Zwei Brüder“ einem selbstgefälligen Ehemann großartig Paroli bot, spielt diese Petra und Janette Rauch ihre selbstbewusste Freundin Alice. Beide Figuren sind Archetypen eines aktuellen Frauenbildes und somit durchaus als Identifikationsmodell geeignet. Selbst wenn das Lüneburger Idyll an der Realität der meisten Zuschauerinnen vorbeigeht, wird das Thema sie doch ins Herz treffen. Sie werden Petra leiden sehen und von Alice lernen. Sie werden Verstrickung sehen und Entwicklung begleiten.

Alternative hübscher Arzt

Nicht alle werden gleich einen gut aussehenden Arzt als Alternative zum fremdvögelnden Ehemann parat haben, aber vielleicht Scheitern als Chance begreifen. Und selbst wenn in der Serie „am Ende alles gut wird“, wie Dr. Berhard Möllmann von der ARD-Pressestelle verkündet, was in ARD-Logik nichts anderes heißt, als dass die Protagonistin einen Kerl bekommt, so werden die Zuschauerinnen vielleicht begreifen, dass ein abspenstiger Ehemann nicht das Ende der Welt ist. Und das ist von jemandem mit Bildungsauftrag vielleicht auch nicht die schlechteste Botschaft.