Der Gruß des Plüscheinhorns

THEATER Mit Homezone Gröpelingen führen die Jungen Akteure des Theater Bremen das Publikum ganz eigen durch einen ganz eigenen Stadtteil

„’Schfilmdisch und stell disch youtube!“

Ein Zaungast am Bürgermeister-Ehlers-Platz reagiert zutiefst beunruhigt aufs Theater

Ohne es zu merken, hat sich die Zuschauergruppe der Regie-Idee des „Homezone Gröpelingen“-Teams der Jungen Akteure unterworfen. Sie hat, ein bisschen verunsichert, gezögert, ob sie links abbiegen muss. Und genau in diesem Moment bricht aus dem Dickicht einer adretten Wohnsiedlung – ein Plüscheinhorn.

Es rast im Affenzahn auf ein mit Brennnesseln und Fäberrettich überwuchertes Grundstück, wo es in einem Eckchen auf der verkommenen Veranda wie wild, mit kalkigem Wasser DIN-A4 Blätter einpinselt. Auf deren Vorderseite: tolle Fotos, mit Kindern und Jugendlichen, die in Brachen des Ex-Hafens auf einem ollen Sofa fläzen, oder Sichtbetonsäulen der Waterfront innig umarmen, wie eine Eso-Tante ihren Lieblingsbaum im Au-Wald. Diese Bilder pappt das Plüscheinhorn dann an die rohe Klinkerwand, neben die braune Stahltür. Und für einen Moment sind alle baff. Zögerlich nur treten sie näher. Denn, natürlich, klar, das ist Theater. Und fürs Theater – „Homezone Gröpelingen“ ist ein von der Theaterschule des Moks organisierter Stadtteilwalk – sind viele der Zuschauer ja rausgefahren ins mental meist als Ghetto abgehakte Westend. ’N bisschen Soziokultur kucken, nett. Mit Sinnzwang. Aber darum genau geht’s nicht, auch wenn zum Schluss ein nach bemüht aufgesagt klingendes Sprech-Tutti verhindert, dass alles bei der leckeren veganen Agape in der Gröpelinger Kunsthalle entspannt auströpfelt: Doof wird’s als Mit-Leiter Felix Reisel sich in Szene setzt, mit dem Mikro rumkaspert und die SpielerInnen zum Kinderchor degradiert.

Doch die guten Momente überwiegen. In denen gelingt es der von Nathalie Forstman und Christiane Renziehausen gecasteten Crew, die SchülerInnen aus dem Stadtteil mit den Publikums-Erwartungen spielen zu lassen – und gegen sie. Etwa bei einer Modern-Dance Choreografie, die halbwüchsige Zaungäste am Bürgermeister-Ehlers-Platz total beunruhigt. „’Schfilmdisch und stell disch youtube!“

Das soll eine Drohung sein. Es ist eine Kapitulation. Denn die SpielerInnen sind in die Rolle ihrer Bewegungen eingeschlossen. Sie haben den Ort erobert. Genauso – anders – schön aber funktioniert das in der fast brüsken Rücknahme aller Aktion: Im Straßencafé, das sich plötzlich per Teewagen und Klappstuhl vor den Zuschauern auftut, oder an jener chilligen Station, bei der alle auf Sitzkissen auf’m Bürgersteig Platz nehmen. Da hängt man optimal ab: Eine Hilfskraft reicht dem Publikum MP3-Player. Zu hören ist eine Sound- und Interviewcollage der SpielerInnen des Projekts, ein herrlich ungebremst mäanderndes Denken über Heimat: Die Sonne knallt. Der Blick geht durch die Reihen der Bremer Einfamilienhäuser. Den Horizont verstellt ein Minarett. Eine Schaustätte, ganz ohne Zweifel. Und Schaustätte, nichts anderes heißt Theater.  BES

Termine: 19., 20., 22. & 23.7., jeweils 18 Uhr, Endstation 10 & 3