ORTSTERMIN: DER MINISTER BESUCHT SEIN HEIMATMUSEUM
: Bernd Neumann wittert Karl Marx

„Ich war ewig nicht hier“, sagt Bernd Neumann im Foyer des Bremer Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte. Dabei ist der Kulturstaatsminister Bremer, Bremer Lehrer sogar. „Soll ich Ihnen aus dem Mantel helfen“, fragt die Museumsdirektorin förmlich. „Wenn Sie mich nicht in eine Kühlkammer führen“, antwortet Neumann, nicht weniger steif.

„Der Geldautomat“ wird er genannt: Neumann hat seinen Haushalt allen Krisen zum Trotz kräftig ausgebaut. Und Frauke von der Haar, die Direktorin, braucht Geld. Genauer gesagt braucht sie 600 zusätzliche Quadratmeter, damit die Dauerausstellung über Bremens Geschichte nicht länger mit dem Zweiten Weltkrieg endet. Deswegen hat sie Neumann in die Sonderausstellung „Bremen 1945 – 2010“ eingeladen – die Appetit machen soll auf mehr.

Nach ein paar Schritten steht zum Glück ein Borgward als Icebreaker bereit. „So einen hatte ich auch!“, ruft Neumann begeistert, klopft prüfend gegen die Karosse. „Hatten Sie damit mal einen Unfall?“, investigiert der Bild-Kollege. „Leider schon“, sagt Neumann. Der Lloyd LP 400, auch „Leukoplastbomber“ genannt, bot nicht allzu viel Aufprallschutz.

Noch mehr Biographisches ist vor den Bildern der „Vulkan“-Werft zu erfahren: Neumanns Vater arbeitete dort als Konstrukteur, „deswegen sind wir 1953 hierher gezogen“. Dann aber gerät wieder ein Auto in Neumanns Blick, ein Lloyd Kombi. Er hat 13 PS und schafft maximal 75 Stundenkilometer, referiert die Museumsdirektorin. „Moment mal!“, hakt Neumann ein: „Ich bilde mir ein, ich wäre immer über 100 gefahren!“

Apropos Erinnerung: Fühlt sich Neumann, jahrzehntelang Bremens CDU-Chef, in dieser Nachkriegsschau ausreichend berücksichtigt? Der Minister scheint auf die Frage geradezu gewartet zu haben und lässt sich den Ausstellungskatalog reichen. Auf den Fotos seien so gut wie gar keine CDU-Senatoren zu sehen, moniert Neumann, das sei „wieder mal sehr bremisch-sozialdemokratisch“.

Richtig in Rage gerät Neumann allerdings erst, als er die Texttafeln zur „Sozialen Spaltung der Stadt“ studiert. „Völlig überzogen“, lautet sein harsches Urteil. Und unwillkürlich fallen einem die Gerüchte ein, Neumann habe sich 2009 als Zensor der Ausstellung „Fremde? Bilder von den Anderen“ im Berliner Deutschen Historischen Museum betätigt. Dort passte ihm der – mittlerweile auch von der Deutschen Polizeigewerkschaft verwendete – Begriff „Festung Europa“ nicht.

In Bremen ist es die „soziale Spaltung“. „Das liest sich wie Karl Marx“, befindet der Minister, der Text sei „nicht haltbar“. Leider ist kein weiterer Borgward in Sicht.

HENNING BLEYL