Überfall in den Bergen pünktlich zum Fastenbrechen

TUNESIEN Islamistischer Angriff fordert größte Zahl an Toten unter Soldaten seit der Unabhängigkeit

BERLIN taz | Beim schwersten Überfall bewaffneter Untergrundkämpfer in Tunesien seit der Unabhängigkeit des Landes 1956 sind nach amtlichen Angaben 14 Soldaten getötet worden. Sie starben am Mittwochabend bei Gefechten mit mutmaßlichen bewaffneten Islamisten bei Henchir et Tella in den Chambi-Bergen an der Grenze zu Algerien, berichteten tunesische Medien gestern.

Zwei Gruppen schwerbewaffneter Kämpfer hätten auf zwei Kontrollposten der Armee das Feuer eröffnet, wurde berichtet. Präsident Moncef Marzouki rief am Donnerstag eine dreitägige Staatstrauer aus.

Die Chambi-Berge sind seit anderthalb Jahren militärische Sperrzone und Rückzugsgebiet islamistischer Kämpfer, die al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) zugerechnet werden und Tunesien von Algerien aus zu destabilisieren versuchen. Vor ziemlich genau einem Jahr, am 29. Juli 2013, waren in der Region bereits acht Regierungssoldaten getötet worden; manchen wurde die Kehle durchgeschnitten.

Mitte Juni hatte sich AQMI erstmals zu einer Serie bewaffneter Angriffe in Tunesien bekannt, und Anfang Juli waren vier Soldaten im Kampfgebiet von einer Mine getötet worden. Insgesamt sind dort seit der Revolution von 2011 rund 40 Soldaten und Polizisten ums Leben gekommen.

Die Lage in Tunesien ist wegen der zunehmenden Instabilität im benachbarten Libyen angespannt. Auch die geplanten Parlamentswahlen am 26. Oktober werfen bereits ihre Schatten voraus. Dass der blutige Überfall sich zu Sonnenuntergang ereignete, also beim Fastenbrechen während des laufenden Fastenmonats Ramadan, wird in der tunesischen Öffentlichkeit als besonders perfide wahrgenommen. Lokale Medien meldeten am Mittwochabend Freudenkundgebungen von Salafisten in einzelnen tunesischen Städten.

Anschlag in Mali

Derweil bekannte sich die islamistische Gruppe al-Murabitoun zur Tötung eines französischen Soldaten in Mali. Die vom Algerier Mokhtar Belmokhtar geführte Nachfolgeorganisation der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (Mujao) erklärte, sie habe mit ihrem „erfolgreichen“ Angriff südlich der Stadt Gao am Dienstag auf „Frankreichs Behauptung, die Mudschaheddin vernichtet zu haben“, reagiert.

Damit steigt die Zahl der französischen Mali-Toten auf neun. Der Angriff erfolgte pünktlich zum offiziellen Abschluss der französischen Militäroperation „Serval“ gegen Malis bewaffnete Islamisten und zum Beginn einer Westafrikareise des französischen Präsidenten François Hollande. Sie begann am Donnerstag in der Elfenbeinküste und soll ihn auch nach Niger und Tschad führen. In diesem Rahmen unterzeichneten die Verteidigungsminister Frankreichs und Malis am Mittwoch ein Abkommen, das eine ständige französische Militärpräsenz in Mali im Rahmen des neuen französischen Sahel-Eingreifkonzeptes vorsieht. DOMINIC JOHNSON