Schlechte Aussichten für die Rückrunde

Der VfL Bochum verfällt in alte Verhaltensmuster und steckt nach dem 0:1 gegen Schlusslicht Mainz 05 wieder mitten im Abstiegskampf. Trainer Marcel Koller vermisst Aggressivität und Konzentration. Morgen geht es nach München

Es war ein absolutes „Scheiß-Spiel“, stellte VfL-Trainer Marcel Koller hinterher fest

BOCHUM taz ■ Die Aussichten waren zu verlockend: Ein Heimsieg zum Rückrundenauftakt und der Vorsprung des VfL Bochum auf den Tabellenletzten Mainz 05 würde auf satte 10 Punkte anwachsen. Von nichts anderem sprachen sie in Bochum. Selbst das Spieltags-Maskottchen ließ sich von der übermütigen Atmosphäre anstecken. „Sechs zu Zwei“ tippte der achtjährige Junge als Revanche für die 2:6-Heimpleite gegen Mainz, die vor knapp zwei Jahren den letzten der fünf Bochumer Abstiege einleitete. Er sei extra aus Berlin angereist. Im Verein spiele er übrigens Torwart und Linksaußen. Spätestens hier hätten die Fußballkenner aufhorchen müssen. Stattdessen johlte das gesamte Stadion. Zum letzten mal an diesem Nachmittag. Am Ende stand eine 0:1-Niederlage gegen einen wiederauferstandenen Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt. Mannschaft und Anhänger blieben nach dem Schlusspfiff sprachlos zurück, während sich die Gäste ausgelassen auf dem Rasen wälzten.

„Vermutlich haben einige gedacht, es geht von alleine“, sagte VfL-Kapitän Thomas Zdebel. Warum auch nicht? Die Mainzer bestätigten zu Beginn des Spiels alle Vorurteile. Sie waren unkonzentriert und unbeweglich. Jeder Ball in Richtung Gästetor sorgte für Chaos. So spielt ein Absteiger. Bochums Spielmacher Zvejzdan Misimovic hatte das schon nach dem Hinspiel gewusst. „Mir war da schon klar, dass Mainz am Ende absteigen wird“, sagte er in der vergangenen Woche. Eine kühne Aussage. Immerhin hatte der VfL damals mit 1:2 verloren – es war bis Samstag der einzige Saisonsieg der Mainzer.

Jedenfalls war es mit der Bochumer Überlegenheit bald vorbei. Theofanis Gekas, Topscorer und Toreverweigerer in einer Person, ließ zwei Großchancen ungenutzt. Zudem blieben zwei harte Fouls der Mainzer im Mittelfeld unbestraft. Es war das Signal für die Gäste. Plötzlich erhöhten sie das Tempo, spielten sich Chancen heraus und gingen in der 38.Minute durch Marco Rose in Führung. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch Niemand, dass das Spiel damit gelaufen war.

„Wenn wir nicht so überzeugend agieren wie in den drei Heimspielen zuvor, verlieren wir hier jedes Spiel“, meinte VfL-Profi Christoph Dabrowski. Drei Heimsiege in Folge hatten Spielern und Fans zur Winterpause ein warmes Gefühl vermittelt. Die auf das Wesentliche reduzierte Spielweise gegen die Konkurrenten aus Hamburg und Mönchengladbach ließ die teilweise desaströsen Auftritte des ersten Saisonviertels vergessen. Die Mannschaft akzeptierte ihre begrenzten Möglichkeiten und machte das Beste daraus.

Doch am Samstag gab es einen Rückfall in längst vergessene Zeiten. Es war ein absolutes „Scheiß-Spiel“, stellte Trainer Marcel Koller fest. Selbst der souveräne Einstand von Torhüter Jaroslav Drobny ging angesichts des kollektiven Versagens unter: Kapitän Zdebel brachte allenfalls jeden zweiten Ball zum Mitspieler, Gekas versiebte drei dicke Chancen und Misimovic fand überhaupt nicht statt. Die drei Säulen des Bochumer Spiels, an denen sich die übrige Mannschaft zuletzt aufrichten konnte, bewegten sich an der unteren Grenze ihrer Möglichkeiten.

Der Auftritt vom Samstag genügte, um das mühsam aufgebaute Vertrauen des Umfeld in die Mannschaft völlig zu zerstören: Plötzlich wird das gesamte Konzept wieder in Frage gestellt und der Kopf des Trainers gefordert. Der unverständliche Leistungsabfall und irrationalen Reaktionen darauf verdeutlichen, wie brüchig das gesamte Bochumer Konstrukt ist und wie schwierig der Kampf um den Klassenerhalt in diesem latent misstrauischen Umfeld wird.

„Jetzt gilt es, so schnell wie möglich wieder den Kopf hochzunehmen“, spulte Marcel Koller sein Wortprogramm ab. Morgen geht es zu den wütenden Bayern am Samstag zu Energie Cottbus, dem zweiten Wochenend-Sieger im Abstiegskampf. Spätestens hier sollten sich die Bochumer wieder auf das Wesentliche konzentrieren – und nicht auf übermotivierte VfL-Maskottchen hören. HOLGER PAULER