Im Osten der Ukraine immer mehr Gewalt

ANGRIFFE Ukraine wirft Russland Abschuss von Kampffliegern vor. Donezker Politiker von Separatisten entführt

KIEW taz | Nach dem Abschuss eines ukrainischen Kampfflugzeuges, für den die ukrainischen Behörden Russland verantwortlich machen, droht sich der Krieg um den Donbass auszuweiten.

Wie ein Sprecher des ukrainischen Geheimdienstes, Andrei Lysenko, am Donnerstag erklärte, konnte sich der Pilot des abgeschossenen ukrainischen Kampffliegers am Vortag mit dem Schleudersitz unverletzt retten und sei in Sicherheit. Des Weiteren, so Lysenko, habe man inzwischen die sterblichen Überreste von zwei weiteren Piloten entdeckt, deren Flugzeug bereits am Montag im Gebiet Lugansk abgeschossen worden war. Den ukrainischen Behörden, so Lysenko, lägen eindeutige Hinweise vor, dass auch dieser Angriff auf das Konto der russischen Streitkräfte ginge. Zugleich würden die Verluste der ukrainische Armee immer schwerer. Allein in den letzten 24 Stunden seien fünf ukrainische Soldaten ums Leben gekommen.

Unterdessen entführten Bewaffnete der „Volksrepublik Donezk“ am Donnerstag den stellvertretenden Bürgermeister der Millionenstadt Donezk, Konstantin Sawin, und den Leiter des städtischen Presseamts, Maxim Rowinsk. Die beiden hatten sich der Aufforderung der „Volksrepublik“ widersetzt und an einem von Kiew organisierten runden Tisch beteiligt. Der Donezker Bürgermeister Alexander Lukjantschenko war nach Drohungen der Aufständischen bereits Anfang der Woche nach Kiew geflohen.

Medwedjew: „Sanktionen sind sinnlos“

Dort begrüßte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko begrüßte die jüngsten Sanktionsentscheidungen der EU. Damit habe der Europäische Rat einen wichtigen Schritt zur Unterstützung der Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Ukraine geleistet. Demgegenüber bezeichnete Russlands Premierminister Medwedjew die jüngsten Sanktionen als „sinnlos“. Damit sei der Ukraine in keiner Weise geholfen, sagte er. Der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow hingegen meinte, die Sanktionen würden das gesamte Bankensystem Russlands ins Schwanken bringen.

In der Bevölkerung von Kiew freut man sich über die EU-Maßnahmen. „Wir wollen wirklich nicht viel. Wir wollen nur, dass Russland uns endlich in Ruhe lässt“, sagte etwa die Grafikerin Olga. „Wir brauchen die russischen Truppen und Söldner nicht, die sich im Donbass einrichten wollen. Sollen sie doch nach Hause gehen. Ohne russische Einmischung können wir Ukrainer diesen Konflikt schnell lösen.“ „Um zu verstehen, dass wir hier eine russische Aggression haben, braucht man kein Militärspezialist sein“, sagte ein anderer Passant. Ohne russische Hilfe wären die Aufständischen nie in der Lage, Flugzeuge aus 6 Kilometer Flughöhe abzuschießen. Viele fürchten nun eine weitere Eskalation. „Ich muss in den letzten Tagen immer mehr an meine Oma denken“, sagt Wjatscheslaw Asarow von der in Odessa ansässigen Antikriegsbewegung der Ukraine. Die habe jedes Gespräch mit den Worten „Hauptsache, es gibt keinen Krieg“ beendet. BERNHARD CLASEN