Auf dem Weg zu Eskalationsstufe 3

UKRAINE-KONFLIKT Nach massivem Druck aus Kiew und den USA verschärft die EU ihre Sanktionen gegen Russland. Osteuropäern und Grünen sind sie aber noch nicht scharf genug. Keine Einigung auf Chefposten in Brüssel

Merkel stellt fest, Russland habe „die Erwartungen in allen Punkten nicht erfüllt“

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Erst schlugen die USA zu, nun zieht die EU nach: Bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel haben die 28 EU-Chefs erstmals Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht. Doch während die USA gezielt Unternehmen wie den Ölkonzern Rosneft ins Visier nahmen, steht die europäische Sanktionsliste noch nicht fest. Sie wird Ende Juli nachgeliefert – noch fehlt die Rechtsgrundlage.

Die Europäer hatten bereits bei ihrem letzten Gipfel Ende Juni mit Sanktionen gedroht, falls Russland nicht die Waffenlieferungen an die Rebellen in der Ukraine unterbinden und andere Bedingungen erfüllen sollte. Doch obwohl ein Ultimatum ergebnislos verlief, passierte erst einmal fast nichts. Die EU setzte nur einige prorussische Rebellenführer auf ihre schwarze Liste.

Auch die Eskalation der Gewalt durch die Regierung in Kiew, die die Rebellenhochburg Donezk bombardieren ließ, blieb ohne Reaktion. Die EU bewegte sich erst, als sich die Ukraine über mangelnde Sanktionsbereitschaft beklagte und die USA einschaltete. Zudem wurde Kanzlerin Angela Merkel mit Medienberichten unter Druck gesetzt, die sie mit Hitlers Außenminister Ribbentrop verglichen. Danach ging plötzlich alles ganz schnell: Ohne Vorwarnung und detaillierte Begründung beschloss man die Ausweitung der Sanktionen, die allerdings noch nicht die Eskalationsstufe 3 – umfassende Handelsbeschränkungen – erreichen. Vielmehr sollen einzelne Firmen gezielt bestraft werden. Zudem soll die Europäische Investitionsbank Förderprojekte in Russland einstellen.

„Wir müssen heute feststellen, dass die Erwartungen eigentlich in allen Punkten nicht erfüllt worden sind“, begründete Merkel den überraschenden Schritt. Der litauische Außenminister, Linas Linkevicius, wollte noch weiter gehen: „Ich denke, die europäischen Sanktionen sollten und könnten härter und tiefgehender sein. Dieses Potenzial ist nicht ausgeschöpft worden.“

Kritik kam auch von den Grünen im Europaparlament. Die Sanktionen gingen nicht weit genug, kritisierte Fraktionschefin Rebecca Harms. „Solange einzelne Länder russische Militärs ausbilden, Waffen nach Russland liefern oder umfangreiche Verträge für Energielieferungen abschließen, kann die europäische Außenpolitik gegenüber Russland keinen Erfolg haben.“

Zudem stehen die neuen Strafmaßnahmen auf wackeligem Boden. Die EU will nämlich Firmen bestrafen, die die Souveränität oder die territoriale Integrität der Ukraine verletzen. Dies dürfte sich jedoch schwer nachweisen lassen; EU-Diplomaten blieben denn auch bisher Namen schuldig. Zudem müssen erst einmal die Juristen des Rats nachsitzen, um eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen. Erst Ende Juli soll es so weit sein.

Noch länger braucht die EU für die Besetzung offener Chefposten. Am Mittwoch konnten sich die EU-Chefs nicht auf Nachfolger von Ratspräsident Herman Van Rompuy und Außenvertreterin Catherine Ashton einigen. Das nächste Ziel dafür ist nun der nächste Gipfel am 30. August.