Biomasse statt Artenvielfalt

Die Nachfrage nach Biokraftstoffen und Biogas macht Brachflächen plötzlich wieder interessant für die Landwirte. Der Nabu sieht dadurch seltene Lebensräume bedroht. Energiepflanzen dürften nicht zu Lasten von Natur und Umwelt angebaut werden

von Gernot Knödler

So wie Bioenergie in Norderheverkoog hergestellt wird, hat sich der Naturschutzbund (Nabu) das nicht vorgestellt. Um seine Biogas-Anlage auf der nordfriesischen Halbinsel Eiderstedt füttern zu können, habe der Landwirt Grünland in Maisfelder verwandelt, berichtet Nabu-Mitarbeiterin Sibylle Stromberg. Wo bisher Vögel brüteten und viele verschiedene Insekten krabbelten, stehen heute im Sommer monotone Reihen aus Maispflanzen. Was durch das Biogas-Kraftwerk beim Klimaschutz gewonnen wird, geht beim Artenschutz verloren. So kann die Energiewende nach Ansicht des Nabu nicht aussehen.

„Eine Strategie zum Ausbau erneuerbarer Energien darf nicht auf Kosten einer Ökologisierung der Landwirtschaft erfolgen“, sagt Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Nachwachsende Rohstoffe müssten aus Gründen des Klimaschutzes künftig zwar entscheidend zum Heizen wie zur Kraftstoff- und Stromproduktion beitragen. Doch nur wenn Holzpellets, Biotreibstoff oder Biogas naturverträglich hergestellt würden, sei eine Ausweitung der Produktion zu befürworten.

Die Vorstellungen der Naturschützer und des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) über die Fläche, auf der Energiepflanzen angebaut werden könnten, liegen weit auseinander. Der Nabu hält eine Biomasseproduktion auf zwei Millionen Hektar für möglich. Der BEE rechnet mit mindestens vier Millionen Hektar. Das wäre ein Drittel der gesamten Anbaufläche Deutschlands. Mehr als eine Million Hektar dieser Flächen sind heute von der EU stillgelegt, um die Überschussproduktion zu verringern. Weitere Millionen würden wegen der EU-Osterweiterung, der Ertragssteigerung und der wachsenden Nahrungsmittelimporte nicht mehr für Ackerbau und Viehzucht gebraucht.

Der BEE geht davon aus, dass Deutschland über ein Biomassepotenzial von rund 120 bis 140 Millionen Tonnen Trockenmasse pro Jahr verfügt. 60 Millionen davon könnten auf den Äckern erzeugt werden. Der Rest käme aus dem Wald, sowie den Abfällen der Industrie, der Haushalte, der Landwirtschaft und des Gartenbaus.

Diese unterschiedlichen Arten von Biomasse sind allerdings nicht für jede Verwertung gleich gut geeignet. Biogasanlagen wie die im Norderheverkoog brauchten gleichbleibend hochwertigen Mais und Qualitätsgülle, um stabil zu laufen, sagt Stromberg. Weil das so ist, befürchtet der Nabu, dass der Nutzungsdruck auf dem Land wieder zunehmen wird. „Es gibt einen so großen Flächenbedarf, dass Äcker, die die Landwirte weggeben wollten, weil sie sich nicht mehr rechnen, wieder bebaut werden, um Biogasanlagen zu beliefern“, sagt Stromberg.

Gerade der Mais gedeihe an Standorten, die sonst nicht genutzt werden könnten, sagt die Naturschützerin. Um ihn anbauen zu können, würden die Äcker drainiert. Das lasse den Wasserstand in den Marschengräben sinken und auch die benachbarten Wiesen trockener werden. Lebensräume für viele Frösche, Molche, Vögel und Insekten verschwänden. Die gefährdete Trauerseeschwalbe etwa finde keine Tränkekuhlen mehr, an und auf denen sie brüten könne und dem Kiebitz, der auf Äckern brüte, fehle das Grünland, wo er Nahrung für seine Jungen finden könne.

Stromberg sieht eine Reihe weiterer Probleme: Wo Grünland in Hochertragsäcker verwandelt werde, drohten Dünger und Pestizide mit dem Regen in die Flüsse und Seen gewaschen zu werden – ein Problem besonders im hügeligen Ostholstein. Sollte es dazu kommen, dass künftig mehr als fünf Meter hoher Energiemais angebaut wird, würde sich das Landschaftsbild verändern, weil die Knicks zwischen den Maisfeldern nicht mehr zu sehen wären. „Wenn die Knicks nur noch in Maiskulturen stehen, verlieren die ihre ökologische Funktion, weil die dort brütenden Vögel auf den Wiesen, nicht aber im Mais Nahrung finden“, warnt zudem Ingo Ludwichowski, der Sprecher des Nabu Schleswig-Holstein. Akut bedroht sei die Gegend um Eckernförde mit ihrem weitgehend intakten Knick-Netz.

Eine Verbesserung wäre es aus Sicht Ludwichowskis bereits, wenn im Wechsel mit Mais andere Energiepflanzen angebaut würden. Auch der BEE sieht das so. „Unser Ziel ist es, den vielfältigen Einsatz von Energiepflanzen zu fördern“, versichert BEE-Geschäftsführer Milan Nitschke. Ohnehin liege eine Fruchtfolge im Interesse der Bauern, weil sie die Bodenqualität verbessere.

Für die Zukunft schwebt Nitschke vor, alles zu nutzen, was auf den Feldern wächst. Technisch sei das möglich, wenn auch teuer. „Wir können nicht von jedem Landwirt erwarten, dass er damit beginnt“, findet er. Die reine Resteverwertung reicht Nitschkes Meinung nach aber nicht, um fossiles Öl und Gas zu ersetzen. Die Berechnungen seines Verbandes basierten auf einer Landwirtschaft ohne Gentechnik, die ihr Potenzial aber ausschöpfen müsse.