Sinnwidrige Schranken für Umweltverbände

Ein neuer Gesetzentwurf der Bundesregierung soll es Umweltverbänden erleichtern, für den Naturschutz vor Gericht zu ziehen. Umweltsachverständige bezweifeln jedoch, dass der Entwurf den EU-Anforderungen gerecht wird

FREIBURG taz ■ Die Bundesregierung will das Verbandsklagerecht für Umweltverbände ausweiten. Allerdings bleibe sie dabei hinter den Anforderungen der Europäischen Union zurück, kritisiert der Sachverständigenrat für Umweltfragen. Morgen wird der Umweltausschuss des Bundestags über das geplante Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, das die Änderungen bringen soll, beraten.

In Deutschland gibt es bisher in weiten Teilen des Umweltrechts keine gerichtliche Kontrolle. Traditionell kann nur klagen, wer in seinem persönlichen Recht auf Gesundheit und Eigentum verletzt ist. Die Einhaltung von Grenzwerten, die nur der allgemeinen Vorsorge dienen, kann nicht vor Gericht überprüft werden. Auch Vorschriften zum Klimaschutzes, zur Erhaltung der Artenvielfalt oder der Luftreinheit sind weithin der gerichtlichen Kontrolle entzogen.

Im Naturschutz gibt es deshalb schon seit den 70er-Jahren in vielen Bundesländern ein Verbandsklagerecht für Umweltverbände. Das heißt, sie können mit Klagen erreichen, dass die im Interesse der Öffentlichkeit liegenden Naturschutzbestimmungen auch eingehalten werden. Erst Rot-Grün schaffte 2002 eine bundesweite Regelung.

Jetzt will die Bundesregierung das Verbandsklagerecht ausweiten. Künftig sollen Umweltverbände auch klagen können, wenn es um die Genehmigung von Kraftwerken und anderen umweltrelevanten Anlagen geht. Außerdem sollen sie auch Fehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung geltend machen können.

Dies war keine Idee der großen Koalition, sondern geht auf EU-Richtlinie sowie die Aarhus-Konvention der UN-Wirtschaftskomission für Europa (ECE) zurück. Deutschland ist mit der Umsetzung der Vorgabe wieder einmal im Verzug, der Stichtag war schon im letzten Juni.

Umstritten ist nun aber auch, ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung überhaupt den EU-Anforderungen genügt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat „erhebliche europarechtliche Bedenken“, wie aus einer Stellungnahme hervorgeht, die der taz vorliegt. Während die EU-Richtlinie den Verbänden einen „weiten“ Zugang zu den Gerichten einräumt, beschränkt die Bundesregierung das Klagerechte der Verbände auf die Fälle, in denen auch Bürger klagen können.

„Die Rechtsschutzlücken bei allen Vorschriften, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen, blieben bestehen“, kritisiert der SRU-Vorsitzende Hans-Joachim Koch, Rechtsprofessor aus Hamburg. „Die Umweltverbände sollen doch genau dort die Verwaltung kontrollieren, wo dies die Bürger nicht können.“

Selbst Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ist mit dem Plan der Regierung nicht glücklich. „Ich verhehle nicht, dass es angemessen gewesen wäre, den Umweltverbänden ein generelles Klagerecht zu geben“, sagte Gabriel im September im Bundestag und sprach von einem „gewissen europarechtlichen Risiko“. Doch er konnte sich im Kabinett nicht durchsetzen. Der Bundestag will das Gesetz noch in diesem Jahr verabschieden.

CHRISTIAN RATH