Sie wollen doch nur helfen

VERWERFUNGEN Ohne ihre Unterstützer hätten es die Lampedusas in Hamburg nicht geschafft, bis heute durchzuhalten. Doch nicht immer wollen diese auch dasselbe wie sie

Seinen Beruf gibt Georg E. Möller mit „Ideenscout“ an. Und wie es sich für einen solchen gehört, hat er viele Pläne. Der Gruppe der protestierenden Flüchtlinge will der Hamburger Berater, der unter anderem für Opel, die Grünen oder Deinhard Sekt tätig war, einen neuen Namen geben: „Lampedusa in St. Pauli“ statt „Lampedusa in Hamburg“. So soll die Verbundenheit zwischen Protest und Stadtteil deutlich werden – und die Distanz zum Hamburger Senat.

Zwischen St. Pauli und der Mittelmeerinsel Lampedusa will Möller eine „Bürgerbrücke“ errichten. Keine schnöde Städtepartnerschaft soll das werden, nein, ein „Scharnier zwischen den Denkräumen Afrika und Europa“. Auf Lampedusa will Möller eine „Universität der Hoffnung“ eröffnen, mit zweiwöchigen Kursen, in denen sich Afrikaner und Europäer „gegenseitig mit Know-how versorgen“. Im Sommer 2015 soll es losgehen, die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giuisi Nicolini, habe er schon dafür begeistert, sagt Möller.

Außerdem will der Ideenscout ein Denkmal errichten: Ein Flüchtlingsboot aus Italien, mitten in Hamburg aufgestellt; zur Erinnerung an all die Toten, aber auch, um den Hamburgern zu zeigen, unter welch haarsträubenden Bedingungen Flüchtlinge das Meer überqueren. Zunächst soll das Boot auf Fundraising-Tour gehen – etwa in Theaterfoyers, um damit Spenden zu sammeln.

„Spätestens im Herbst werden die Flüchtlinge wieder auf der Straße sitzen und auf Spenden angewiesen sein“, sagt Möller. Danach will er das Boot an seinem endgültigen Bestimmungsort aufstellen „vermutlich in einem Akt zivilen Ungehorsams“ – schließlich werde sich der Senat nicht gegen seine eigene Politik stellen und das Denkmal genehmigen.

Möller, der unter anderem das von Kulturprominenz unterzeichnete „St. Pauli Manifest“ (www.wirsindmehr.de) zur Unterstützung der Flüchtlinge anschob, ist einer von Hunderten UnterstützerInnen von „Lampedusa in Hamburg“. Seit die Gruppe auf den Plan trat, hat sie eine kaum zu überblickende Zahl an Menschen für sich mobilisiert. In einer Stadt, in der linke und kirchliche Gruppen seit vielen Jahren zum Thema Flucht arbeiten, bekam Flüchtlingssolidarität eine nie gekannte Dimension – und Heterogenität.

Das Beziehungsgeflecht zwischen den Unterstützern und den Flüchtlingen ist dabei komplex: Ohne Menschen wie Möller, die auf ihre je eigene Weise die Flüchtlinge unterstützen, wäre der Protestzyklus längst abgeebbt. Doch die Interessen der Flüchtlinge und jener, die ihnen helfen, sind nicht immer deckungsgleich. Während die Flüchtlinge sich in erster Linie für einen Aufenthaltstitel interessieren, sagt Möller: „Ich will den Senat stürzen.“

Als Möller seinen Bootsplan den Flüchtlingen vorstellte, erinnert sich der Nigerianer Friday Emitola von „Lampedusa in Hamburg“, gab es Skepsis. Nicht alle hielten dies für den besten Weg, ihre Geschichte zu erzählen. „Viele fragten: Wären nicht andere Dinge wichtiger, als ein solches Boot zu holen? Wir leben von der Hand in den Mund – könnte man das Geld nicht sinnvoller anlegen?“

6.000 Euro, sagt Emitola, soll das Bootsprojekt gekostet haben. Möller hält sich dazu bedeckt. Weder will er sagen, wer ihm das Geld gegeben hat, noch, wie viel er für das Boot bezahlt hat oder wem er es abgekauft hat. Auskunft gibt er lediglich darüber, wo es sich derzeit befindet: In Italien, der Zoll habe noch keine Ausfuhrgenehmigung erteilt.

Eine ähnliche sparsame Informationspolitik hatte er den Flüchtlingen gegenüber: „Wir wollten wissen, von wem das Geld kommt und direkt mit der Person sprechen“, sagt Emitola. Doch Möller gab die Identität nicht preis. „Gute, nette Menschen. Vertreter des wohlhabenden, liberalen Bürgertums“, sagt Möller dazu nur.

Auch die Verhandlungen um den Kauf des Bootes habe Möller erledigt, ohne sie zu beteiligen, sagt Emitola. Er erinnert daran, dass es für den gemeinen Bürger oft nicht zu unterscheiden sei, wer Spendenakquise im Namen der Flüchtlinge betreibt.

Der Grat zwischen Solidarität und Paternalismus ist manchmal schmal. Schlecht angekommen war bei Flüchtlingen auch, als etwa Hamburger Theater für die Lampedusas Spenden sammelten, sie aber anschließend der Kirche gaben statt den Flüchtlingen selbst.

Auch das Verhältnis zur Kirche ist ambivalent: Einerseits leistet sie Enormes für die humanitäre Unterstützung, politisch aber ergriff sie für die Duldungslösung Partei, die viele Flüchtlinge ablehnen.  CHRISTIAN JAKOB