WILLI GERDAU, NATIONALSPIELER
: Der Star vom kleinen HSV

■ geboren 1929, gestorben am 11. Februar 2011, war Schleswig-Holsteins letzter Nationalkicker.Foto: shz/Thode

Wer weiß, was geschehen wäre, hätte Willi Gerdau nicht für den kleinen, sondern für den großen HSV gespielt. Vielleicht wäre „Ille“ heute genauso ein Synonym für die gute, alte Fußballzeit wie es „Uns Uwe“ ist. Und sein Tod am vorigen Freitag wäre eine Schlagzeile und keine Randnotiz der Fußballgeschichte. Aber „Ille“, wie ihn alle nannten, kickte eben zu einer Zeit für den Heider SV, als Vereinstreue noch groß geschrieben wurde, und so schaffte er nur ein einziges Mal den Sprung aus Sepp Herbergers berühmtem Notizbuch in die Deutsche A-Nationalmannschaft. Am 22. Mai 1957 verteidigte er im Freundschaftsspiel gegen Schottland mit Erich Juskowiak vor Torhüter Hans Tilkowski.

Das Spiel endete 1:3 und da Spieler auch damals schon eine Lobby hinter sich brauchten, schoss sich die Presse auf den Spieler aus der damals kleinsten Oberliga-Stadt Deutschlands ein. Als Herberger ein Jahr später den Kader für die Weltmeisterschaft in Schweden nominierte, war der Heider SV aus der höchsten Spielklasse schon wieder abgestiegen und Willi Gerdau aus dem Blickfeld des Bundestrainers verschwunden. Der gelernte Buchhalter konnte nur noch die Genugtuung mit in die Amateurliga nehmen, als Absteiger noch den großen HSV mit Uwe Seeler vor der Rekordkulisse von 12.000 Zuschauern im Stadion an der Meldorfer Straße mit 2:0 besiegt zu haben. Seinen größten internationalen Erfolg hatte der technisch versierte und zweikampfstarke Mittelläufer ein Jahr zuvor gefeiert, als er mit der Amateur-Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen in Melbourne teilnahm.

Aus Schleswig-Holstein hat es noch kein einziger Verein bis in die erste Bundesliga geschafft – und so ist Willi Gerdau bis heute der letzte A-Nationalspieler, der zur Zeit seiner Berufung im nördlichsten Bundesland gekickt hat. Bundestorwarttrainer Andreas Köpke ist zwar Kieler, wurde aber erst beim 1. FC Nürnberg Nationalspieler. Von 1956 bis 1963 gewann Gerdau mit dem Heider SV sechsmal die Meisterschaft in Schleswig-Holstein. Nach seiner aktiven Zeit arbeitete er als Trainer für die St. Pauli-Amateure, in Büdelsdorf, Elmshorn, Wedel und an seinem letzten Wohnort Uetersen. RLO