Die zweite Stimme

FILM Norbert Langer synchronisiert Tom Selleck, Clark Gable und Alain Delon

„ ‚Der blaue Planet‘ war ein absolutes Highlight, grandios gemacht von der BBC. Und wenn ich mir alles merken könnte, was ich dem Zuschauer in diesen Dokus an Fakten und Wissen vermittle, dann hätte ich eine solide Viertelbildung“

NORBERT LANGER, SPRECHER

VON CORINNA STEGEMANN

Wenn die Ansage seines Anrufbeantworters anspringt, ist man für einen Moment verwirrt. Diese Stimme ist so vertraut, als kenne man den Menschen dahinter seit vielen Jahren – und doch kann man sie keinem Gesicht zuordnen. Das liegt daran, dass die Stimme allgegenwärtig ist, das Gesicht ihres Besitzers jedoch unbekannt.

Norbert Langer ist der bekannteste Synchronsprecher Deutschlands. Er ist 73 Jahre alt, sieht aber aus wie 65. Allerhöchstens. Als Sprecher schenkt er zahlreichen Hollywoodstars seine Stimme: Da wäre Tom Selleck, in der Rolle des Privatdetektivs Thomas Magnum („Ich weiß, was Sie jetzt denken. Und Sie haben recht!“). Außerdem kennt man ihn als deutsche Version von John Nettles’ Inspector Barnaby ( „Ich bin Detective Chiefinspector Barnaby, und das ist Sergeant Troy“). Und nicht zuletzt prägte er als Synchronstimme von Little Joe die häufigste Dialogzeile der alten Kultserie Bonanza („Ja, Pa.“). Er synchronisierte Clark Gable, Cary Grant, Jean-Louis Trintignant, Graham Chapman, John Cleese und Alain Delon – die Liste scheint endlos zu sein.

Darüber hinaus kommentiert er zahlreiche Dokumentationsreihen im Fernsehen, wie zum Beispiel „Unser blauer Planet“: „Das war ein absolutes Highlight, grandios gemacht von der BBC. Und wenn ich mir alles merken könnte, was ich dem Zuschauer in diesen Dokus an Fakten und Wissen vermittle, dann hätte ich eine solide Viertelbildung“, sagt er bei Kaffee und Apfelkuchen in einem Berliner Gartenlokal. „Das Wesentliche bleibt zwar schon hängen, aber irgendwelche Details und Zahlen vergesse ich sofort wieder.“

Häufig passiert es, dass fremde Menschen, mit denen er spricht, irritiert stutzen und verlegen fragen: „Kennen wir uns irgendwoher?“ oder auch „Sind Sie vielleicht Synchronsprecher?“. Langer wollte nicht immer diesem Beruf nachgehen: „Schon in der Schule habe ich gemerkt, dass ich eine starke schauspielerische Begabung habe“, erzählt er. „Damals wirkte ich in einer Theatergruppe bei einer Schuloper mit. Es ging um das alte ‚Faust‘-Thema, bei dem die Seele an den Teufel verkauft wird. Und ich habe den Teufel gegeben. Danach war ich an unserer Schule plötzlich eine Berühmtheit“.

Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann setzte sich Langers Leidenschaft durch, er wurde Berufsschauspieler und legte in Berlin seine Prüfung ab. Anfang der 60er Jahre verließ er Hamburg endgültig, um nach Berlin zu ziehen – mit nichts als ein bisschen Geld und dem Versprechen von Freunden, dass sich für ihn schon irgendetwas am Theater finden würde. „Ich wurde so langsam der ‚hoffnungsvolle Nachwuchs‘, aber immer eher an den kleineren Theatern. Und als ich dann so um die dreißig wurde, war ich nicht mehr der jugendliche Typ, aber noch zu jung aussehend, um die reiferen Rollen spielen zu können. Die Angebote wurden immer spärlicher.“

Um Geld zu verdienen, sprach Langer verstärkt für den Rundfunk, er machte Hörspiele und Bildungsfunk und bekam immer häufiger die Anfrage, Synchronisationen zu machen. „Aber ich sagte mir: Irgendwelchen anderen Leuten meine Stimme leihen? Das mache ich nicht! Aber dann später – na ja, die Not …“ Langer grinst. „Und dann kam die Erkenntnis: Als Bühnenschauspieler bist du allenfalls Mittelmaß, zu den ganz großen wirst du wahrscheinlich nie gehören, da gehört noch ein bisschen mehr Feuer, Überzeugung und auch Wahnsinn dazu.“

Langer sieht sich eher als der nüchterne Typ, der damals nicht die Ellbogen hatte, um sich durchzusetzen und zu sagen: Hey, seht her, ich bin toll! „Wie naiv ich doch war. Ich dachte, wenn ich immer im Fernsehen zu hören bin, dann muss doch mal einer von den maßgeblichen Leuten auf die Idee kommen, sich zu fragen, wer steckt denn dahinter? So kam es aber nie.“

Als Synchronsprecher musste Langer sich nicht erst in kleineren Rollen bewähren, sondern bekam gleich eine Hauptrolle in der erfolgreichen US-Serie „Eddies Vater“. Dann ging alles sehr schnell: erst „Bonanza“, dann die erste Serie mit Burt Reynolds. „Und wenn zwischendurch doch mal wieder ein Theaterangebot kam, dann hatte ich keine Zeit. Ich geriet beim Theater immer weiter in Vergessenheit, irgendwann hatte ich selbst keine Lust mehr.“ Auch das damals aufkommende Regietheater sei nicht seine Welt gewesen.

So blieb Norbert Langer bei der Synchronisation, und dieses Handwerk beherrscht er. „Es gibt einen alten Synchronspruch, der lautet: Wenn man begriffen hat, dass ,Betriebsbahnhof Rummelsburg‘ nicht auf ,Hotel zur schönen Aussicht passt‘, dann hat man Synchron begriffen. Bei einem richtig guten Film mit tollen Schauspielern muss ich natürlich Rollen spielen.“

Es gibt auch für Langer Klippen, die nicht leicht zu umschiffen sind: „Die Folgen von ,Inspector Barnaby‘ sind sehr dialoglastig, und ich musste oft mehrfach pro Folge sagen: ‚Ich bin Detectiv Chiefinspector Barnaby und das ist Sergeant Troy‘. Wenn zwei T-Laute aufeinandertreffen, wie bei ‚Sergeant Troy‘, dann klingt das gleich etwas gestelzt.“

Langer lacht, als er zugibt, dass er einigen der meist verworrenen Episoden von „Inspector Barnaby“ während der Synchronisation selbst nicht ganz folgen konnte: „Da musste ich schon hin und wieder fragen, worum es eigentlich geht oder wie irgendwas gemeint ist. Und wenn ich mir dann mal eine ganze Folge im Fernsehen angesehen habe, dann gab es für mich auch Überraschungen, wenn ich plötzlich begriff: ‚Ach, so war das!‘ “