spd ohne kohle
: Spiel mit der Tradition

Es hätte auffallen müssen. Als die nordrhein-westfälische SPD Hannelore Kraft vor zehn Tage zu ihrer neuen Vorsitzenden kürte, fehlte der traditionell-schmalzige Schlussakkord eines jeden guten sozialdemokratischen Parteitags. Kein Bergmannschor und kein Steigerlied schlossen sich an an die die Reden, in denen sich Kraft, Vizekanzler Franz Müntefering und Parteichef Kurt Beck vor ihren Genossen wortgewaltig zur deutschen Steinkohle und speziell zum Sockelbergbau bekannten. Eine gute Woche später wird der Verzicht auf die Kapelle nachträglich zum Symbol: Die obersten Sozialdemokraten haben die Kohle aufgegeben. Sie haben ihre Überzeugungen den großkoalitionären Sachzwängen angepasst. Anders ausgedrückt: Sie haben ihre Genossen angelogen.

KOMMENTAR VON KLAUS JANSEN

Der vereinbarte Ausstiegsbeschluss ist eine Zäsur – nicht nur für die Bergleute im Ruhrgebiet, sondern auch für die SPD. Ja, die deutsche Kohle ist zu teuer. Ja, die NRW-Landesregierung hätte die Subventionen nicht mehr bezahlt. Und ja, keinem Bergmann wird gekündigt werden. Trotzdem ist die SPD in eine Sockel-Kampagne gerannt – obwohl sie niemand dazu gezwungen hat. Dass sie nun kehrt macht, enttäuscht viele. Mit einem für die Seele der Partei so essentiellen Thema wie der Kohle spielt man nicht. Schon gar nicht darf dabei eine Position für unverhandelbar erklärt werden, um sie binnen einer Woche wieder zu kippen. Nach der Mehrwertsteuererhöhung hat Franz Müntefering gesagt, dass er auf die Wähler pfeife. Das war schlimm. Seine Kohle-Volte ist unverzeihlich.

Verliererin ist vor allem Hannelore Kraft. Ihr Kampf für den Sockelbergbau war das Fundament ihrer innerparteilichen Wahlerfolgs. Durch Kumpelei mit dem Kumpels wollte sie das Herz der Partei wärmen. Nun ist ihr die Partei in den Rücken gefallen. Sie steht allein als Gestrige da. Da hilft es auch nicht, für das Jahr 2012 auf eine Revision des Ausstiegsbeschlusses mit veränderten Mehrheiten zu hoffen. Denn wenn die SPD so weiter macht, wird es diese nicht geben.