Teurer Kompromiss

Die Rote-Sockel-Kampagne geht weiter: Nach dem Kohlekompromiss will die NRW-SPD für den Sockelbergbau sogar in den Wahlkampf ziehen. Für die Landesregierung kommt der Ausstieg zu spät

VON KLAUS JANSEN

Hannelore Kraft will nicht als die Vorsitzende der NRW-SPD in die Geschichte eingehen, die den Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet beerdigt hat. Einen Tag nach der großkoalitionären Grundsatzentscheidung über ein Auslaufen der Kohleförderung ab spätestens 2018 kündigte sie an, auch weiterhin für einen Sockelbergbau zu kämpfen. „Wir werden mit dieser Forderung in den Landtagswahlkampf 2010 ziehen“, sagte Kraft.

Kraft hatte bis zuletzt versucht, die Bundes-SPD von einer Zustimmung zum Ende des Bergbaus abzuhalten. Am Freitag hatte sich die Parteispitze jedoch in einer Telefonkonferenz darauf geeinigt, der CDU und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mit einem Verzicht auf den Sockel entgegen zu kommen – wenn der Ausstieg sozialverträglich gestaltet und im Jahr 2012 noch einmal überprüft werden könne. An eine Revision des Beschlusses glauben aber selbst die SPDler in den Bergbaustädten nicht mehr: Der Kompromiss sei „unmissverständlich auf einen endgültigen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau in Deutschland gerichtet“, sagte Bottrops Oberbürgermeister Peter Noetzel.

Die schwarz-gelbe Landesregierung zeigte sich gestern hingegen erleichtert. „Ich freue mich sehr, dass die SPD ihre Blockadehaltung aufgegeben hat“, sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. Ministerpräsident Rüttgers nannte die Einigung eine „gute Nachricht“.

Von einem historischen Moment wollte jedoch niemand sprechen – noch immer sind zu viele Punkte strittig. Während SPD-Fraktionsvize Norbert Römer eine Kappung der Subventionen vor dem Jahr 2018 ausschloss, forderten Regierungsvertreter ein schnelleres Aus. „Über einen früheren Ausstieg muss noch einmal gesprochen werden“, sagte CDU-Fraktionschef Helmut Stahl. Die FDP bekräftigte ihre Forderung, die letzte Zeche spätestens im Jahr 2015 zu schließen. Klaus Friedrichs, Chef des Landesverbandes der Bergbaubetroffenen, sprach sich für eine Schließung der risikoreichsten Werke aus: „Unter dem Rhein und bewohnten Gebieten muss jetzt Schluss gemacht werden“, sagte er. Nach dem Jahr 2012 dürfe allenfalls noch ein Schacht „als Spielwiese für das Ausprobieren von Bergwerkstechnik“ offen gehalten werden.

Unklar ist auch, wer für die Ewigkeitskosten des Bergbaus aufkommen soll. Rüttgers forderte eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Folgekosten: Nach dem Börsengang der RAG müsse der Bund noch mindestens 1,3 Milliarden Euro nachschießen. „Die eigentlichen Probleme kommen erst noch“, sagte der grüne Fraktionsvize Reiner Priggen. Seiner Meinung nach wäre ein sozialverträglicher Ausstieg schon im Jahr 2015 möglich gewesen: „Eine Verlängerung auf 2018 kostet sechs Milliarden Euro. Die muss der Bund bezahlen“, so Priggen. Dass die SPD in NRW auch zur nächsten Wahl mit einer Rote-Sockel-Kampagne aufwarten will, versteht er nicht: „Das kann man nur mit Trennungsschmerz begründen. Eigentlich sollte der Ausstieg auch für die SPD eine Befreiung sein.“

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