Wenn „Deutsche“ siegen und feiern

WELTMEISTER Der erfolgreiche Ausgang der Fußball-WM für die in der Bundesrepublik Deutschland zusammengestellte Mannschaft wird von einigen bejubelt, von anderen mit Schrecken gesehen. Muss Nationalismus im Sport sein? Ist ein „Gaucho-Tanz“ nur Spaß?

■ betr.: „Dürfen Deutsche so feiern?“, taz vom 17. 7. 14

Das war tatsächlich nicht das Intelligenteste, was deutsche Nationalspieler je gemacht haben. Ich frage mich allerdings, ob es Ihre Beleidigungen und bösen Unterstellungen rechtfertigt: Die Begriffe „Neger“ und Blitzkrieg tauchen in meinem Wortschatz gar nicht auf und ich glaub, meine Kinderstube war ganz o. k. Das musikalische Rahmenprogramm traf auch nicht meinen Geschmack, allerdings den der Spieler, und das waren doch die wichtigsten Personen dieser Veranstaltung. ANKE VAHLE, Bielefeld

■ betr.: „Ravensburg statt Rio“, taz vom 16. 7. 14

Wie schnell opfert doch eine Top-Nationalmannschaft eben erst erspielte Sympathien! Wie wäre das Spottliedchen bei Özil/Boateng angekommen, wenn der Endspielgegner Türkei oder Ghana geheißen hätte? Autsch, autsch! MICHAEL ZYDER, Backnang

■ betr.: „Das Gaucho-Gate“, taz vom 17. 7. 14

Warum darf eine deutsche Nationalmannschaft in Anbetracht der gewonnenen Weltmeisterschaft keinen lustigen und harmlosen Scherz für ihre Fans machen? Den Gaucho-Tanz als Beleidigung zu bezeichnen, entbehrt jeglicher Grundlage! Wer wurde beleidigt? Lassen Sie einfach Deutschland, seiner Nationalmannschaft und deren Fans wenigsten einen Tag Freude am verdienten Erfolg. SUSANN ELLENBRAND, Offenbach

■ betr.: „Das Gaucho-Gate“, taz vom 17. 7. 14

… unsere Jungs geben ALLES um den Pott nach Deutschland zu holen und müssen sich jetzt so etwas anhören! ICH SCHÄME MICH!!! DANKE, TAZ MARTIN ZIEGLER, Völklingen

■ betr.: „Ravensburg statt Rio“, taz vom 16. 7. 14

Das Sieger-Hurra der überschnappenden Stimmen soll Freude ausdrücken? Die Rettung ins „Wir“. Und wo bleibt das „Ich“? Nicht das kollektiv-egoistische, das leere. Die nationalen Projektionen sind schon erbärmlich. Und das Nachtreten nach den Gauchos offenbart mehr als den Einfall dummer Jungens. Jetzt wird die Kehrseite dieser verflixten Sportart offenbar werden. Der Säckel der Fifa ist prall gefüllt, jeder der elf Sieger kassiert 300.000 Euro. Auch die Millionen Fans seien Weltmeister. Brasilien hockt auf seinen Stadien; die vielen Verbote, die die Fifa für das Volk von Rio durchgesetzt hat zugunsten der Sponsoren, werden aufgehoben. Argentinien ist pleite. All das wird ignoriert, auch von tazlern. Und jetzt ist nichts gut. Das geht weiter: in Katar und zuvor in deutschen Stadien. PETER FINCKH, Ulm

■ betr.: „Ravensburg statt Rio“, taz vom 16. 7. 14

Liebe Rieke Havertz, ich verleihe Ihnen für Ihren Beitrag zum Empfang der deutschen Fußballnationalmannschaft hiermit politisch völlig korrekt und absolut schaumgebremst die Goldene Nörgelnadel am Stiel. Meine Güte, die Jungs hatten Spaß, eine Menge Leute hatten Spaß, ja klar ist es nervig, wenn der vierte Stern der Mercedes-Stern ist. Grenzen Sie sich ab! Mir hat auch nicht jedes Liedchen gefallen. Gefällt Ihnen jedes Lied, wenn Sie mal Abtanzen gehen? Was das „Nachtreten“ angeht und den „Affengang“ … Abwertung sieht, wer Abwertung sehen will. Gegenseitiges Aufziehen gehört dazu, das nächste Mal gewinnt der Aufgezogene, und dann muss der diesmalige Sieger als Verlierer einstecken können. Was glauben Sie, was in Brasilien an Scherzen über die Deutschen kursiert? „Lieber ein Halbfinale verlieren als zwei Weltkriege.“

LARA FERREIRA E SILVA, Köln

■ betr.: „Das Gaucho-Gate“, taz vom 17. 7. 14

Ja, „Gaucho-Gate“, ganz witziger Name, trifft’s aber irgendwie so gar nicht. Und das auf’m Titel. Hätte dieser Sommer ein Loch – ich könnt’s ja noch verstehen. Aber es passieren gerade doch ziemlich viele andere Dinge auf der Welt, die nicht ganz so harmlos sind, wie die albernen Späße der Weltmeister, und die nach einem Titel geradezu schreien. Habt ihr in Berlin vor lauter Fangejohle vielleicht nicht gehört. MICHAEL TOENNIS, Hamburg

■ betr.: „Weltmeister im Beleidigen“, taz.de vom 17. 7. 14

An alle schlauen Kritiker, die ein Gauchogate im Freudentanz der deutschen Nationalmannschaft erkennen konnten: Schon darüber nachgedacht, dass eine Sportveranstaltung, bei der Sportler im Namen eines Landes für den Sieg kämpfen, höchstgradig nationalistisch ist? Es werden Fahnen geschwungen und die Nationalhymnen gesungen. Man könnte auch hinterfragen, ob diese Form von Nationalstolz überhaupt richtig ist. Haben Sie sich wenigstens ansatzweise über den Sieg der Nationalelf gefreut, bevor dieser „Skandal“ Sie von der Pflicht der Freude befreit hat? Albruna, taz.de

■ betr.: „Weltmeister im Beleidigen“, taz.de vom 17. 7. 14

Schauen wir kurz mal zurück in die jüngere Geschichte: 1978 folterte und mordete eine faschistische Junta in Argentinien und erholte sich zwischendurch bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land. Solange da noch Mörder und Folterer frei rumlaufen, sollten die den Ball mal flach halten. Gesunder Menschenverstand, taz.de

■ betr.: „Das Gaucho-Gate“, taz vom 17. 7. 14

Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Einteilung in (deutsche) Herrenmenschen und (in diesem Falle argentinische) Untermenschen ist doch eine alte deutsche Tradition. Da verlangt man seit Jahren von unseren Migranten, sie sollen sich die deutsche Leitkultur zu eigen machen, und wenn dann ein Migrantenkind wie Mustafi diese Werte verteidigt, ist es wieder nicht recht. FRITZ GRÜBL, München

■ betr.: „Das Gaucho-Gate“, taz vom 17. 7. 14

Glückwunsch zum 5. Stern: Fairplay, Respect, No Racism – wie viele Kampagnen wurden gestartet, um die Weltmeisterschaft zu einem Fest der Völker werden zu lassen. Doch wie alle Kampagnen der Fifa sind auch diese nur schöner Schein, um das Geschäft am Laufen zu halten. Bei der Feier des 4. Sterns auf der Fanmeile haben die Weltmeister nun nachgetreten. Während die Deutschen („So gehn die Deutschen“) aufrecht, Brust raus, in Siegerpose durch die Welt spazieren. Hatten wir das nicht schon mal? Überheblichkeit und Rassismus scheint zum deutschen Siegerselbstwertgefühl zu gehören. Wenn die Fifa mit ihren eigenen Statuten ernst machen würde, wären diese Spieler für die nächsten Spiele gesperrt. Aber wäre auch egal. Der 5. Stern ist ja schon sicher: Der Titel „Rassismusweltmeister“ ist ihnen nicht mehr zu nehmen. Respect. STEPHAN GLASER, Lustnau

■ betr.: „Dürfen Deutsche so feiern?“, taz vom 17. 7. 14

Dass der Sport im Werberausch versinkt, ist nichts Neues, oder? Schön ist das trotzdem nicht. Uneingeschränkte Zustimmung an Rieke Havertz auch zum Thema „grenzenlose Überhöhung“. Fußball ist ein Spiel und nicht die Verkündung von weltweit geltenden moralischen Wertevorstellungen und/oder Wahrheiten. Ein Spiel, das auch noch Spaß machen darf! Und dann sieht man Messi, der ohne Freude und Respekt seine Fans mit einem Blick brüskiert, als sei die Welt untergegangen. Zweitbeste Mannschaft der Welt, bester Fußballspieler der WM! Welches Problem hat der Mann wirklich?

Um die WM besser verstehen zu lernen, empfehle ich einen kleinen Film aus der „Sendung mit der Maus“ vom 23. Juni. Hier werden Floskeln der Fußballreporter bildlich dargestellt. Sehr lehrreich und lustig! Dabei wird das Endspiel Brasilien – Deutschland durchgespielt. Die brasilianische Mannschaft (nicht das ganze brasilianische Volk) verliert das Spiel und geht „geknickt“ (traurig, enttäuscht) vom Feld. Was geknickt bedeutet, hat Messi uns dann im real stattgefunden Endspiel Argentinien – Deutschland gezeigt. Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat also weder die argentinischen Spieler noch das argentinische Volk beleidigt. Nein, die deutsche Nationalmannschaft besteht nicht aus Rassisten. Und: Ja, Deutsche dürfen so feiern. JUTTA GEILENKIRCHEN, Bonn

■ betr.: „Eine Form von Menschenhandel“, Leserbrief vom 15. 7. 14

Alles muss man selber machen heutzutage. Auch den kritischen Journalismus müssen wir taz-Leser selber machen; das zeigt Florian Nelles Leserbrief sehr schön. Die Profis, wie Bernd Pickert mit seinem Kommentar „Problem sind die, die nicht WM schauen“, stellen den nämlich nicht immer unter Beweis.

Gerade Pickerts Kommentar geriet in die Nähe zur Hagiographie, weil er den Geschäftsbrutalismus nicht in den Blick nahm, der aber doch die Grundlage dieser WM ist. Mir ging auch die dünkelhafte Oberstudienrats-Karikatur auf den Keks. Was soll das, die Massenveranstaltungen des Sportgeschäfts gegen die scheinbar elitäre Hochkultur auszuspielen?

Und die epische Breite, mit der die taz sich der WM widmete, fand ich übertrieben.

Trotz alledem: Die taz unterscheidet sich schon noch vom Boulevard. Das soll auch unbedingt so bleiben. ULRICH GLAUBITZ, Freiburg im Breisgau

■ betr.: „Dürfen Deutsche so feiern?“, taz vom 17. 7. 14

Die Bölkstoff-Industrie blickt versonnen auf goldene Wochen zurück, dem ewigen Bespaßungs- und Eventbedürfnis ist bis zum Abwinken Genüge getan, Sepp Blatter und seine unbestechlichen Fifa-Funktionäre kriegen beim WM-Kassensturz mal wieder große, glänzende Augen, denn bezahlt wurde die Sause ja gerne vom brasilianischen Steuerzahler, der heilige Franz wird auch Kaiser von Katar und Hochintelligenzler wie Podolski oder Müller sollten jetzt endlich mal ihre Klappe halten und sich lieber um den Werbevertags-Tsunami, der nun auf sie zurollt, kümmern. Um die idiotische Böllerei noch zu toppen, sollte Mannschafts-Mutti Merkel für die nächste WM das Läuten aller Kirchenglocken nach jedem Toooooor von Schlaaaand anordnen, das gibt gleich wieder ein paar Prozentpunkte mehr bei Meinungsumfragen, und da steht Mutti doch drauf. Aber bitte schenkt uns jetzt ein bisschen Frieden, wenigstens bis zum Bundesliga-Kick-off. Danke. MARTIN MAHADEVAN, Berlin

■ betr.: „Ganz Deutschland jubelt über Auslandseinsatz“, taz v. 15. 7. 14

Ich hab’s wirklich versucht. Fast fünf Wochen lang. Hab mir gedacht: „Komm, es ist Fußball-WM, da dreht die Medienwelt allgemein noch mehr am Rad als sonst. Ist ja auch anstrengend, profanen Sportereignissen den Nimbus der Wichtigkeit anzuhalluzinieren.“ Und dann das: „Ganz Deutschland jubelt über Auslandseinsätze“. Da erzählen sie dir seit Ewigkeiten, das ganze Schland-Partriotismus-Gedöns sei ganz friedlich und harmlos. Um dann doch wieder die Brücke zum Militarismus zu schlagen.

Zudem wissen die RedakteurInnen doch genau, dass das mit dem „ganz“ eine tumb-pathetische Verallgemeinerung ist – zur Impertinenz solcher Schlagzeilen sei Max Goldts Aufsatz „Der Sprachkritiker als Unsympath“ empfohlen.

Diesem Auftakt dann noch fünf weitere Seiten WM-Nachklapp folgen zu lassen – also, da war Ende, und die Ausgabe landete im Altpapier. Irgendwann ist auch ironisierter Populismus nicht mehr tolerabel.

FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

■ betr.: „Dürfen Deutsche so feiern?“, taz.de vom 17. 7. 14

Es trifft zu, die ganze „Show“ war eines Weltmeisters unwürdig und diente eher dem Product Placement und Marketing als einer ungetrübten reinen Jubelfeier. Das „Programm“ war mit sehr heißer Nadel gestrickt, allerdings dürfte nur die taz dort ein Grimme-Preis-verdächtiges kulturelles Niveau erwartet haben.

Wenn man rest- und siegesbesoffene nachtwandelnde Gestalten in die überhitzte Atmosphäre eines offenen Bierzeltes stößt, um dort „irgendetwas Lustiges“ vorzuführen, werden natürlich die simpelsten stadionbekannten Rituale und Klischees hervorgekramt.

Genau dafür aber scheinen sich Hunderttausende bei Ballermann-Beschallung überhaupt erst vor dem Brandenburger Tor versammelt zu haben.

Wenn man also „Schuldige“ sucht, dann vielleicht dann vielleicht eher die für dieses dürftige Konzept Verantwortlichen oder die Stadt Berlin, dass sie nicht in der Lage ist, etwas von wirklich nationalem Wert auf die Beine zu stellen. txt, taz.de