Kein Treffen zwischen Köhler und Klar

Bundespräsident dementiert Berichte über Gespräch mit Ex-RAF-Mitglied. Gutachter Kury für Vollzugslockerungen

FREIBURG taz ■ Bundespräsident Horst Köhler will sich nicht mit dem ehemaligen RAF-Mitglied Christian Klar treffen. Dies betonte gestern das Bundespräsidialamt und dementierte einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. Dort hatte es geheißen, Köhler wolle selbst die Bereitschaft Klars zur Reue ausloten.

Köhlers Vorgänger Johannes Rau soll bei Christian Klar eine glaubwürdige Distanz zu seinen Straftaten sowie Einsicht und Reue vermisst haben. Das berichtete die Deutsche Presseagentur unter Berufung auf Personen, die dem im Vorjahr verstorbenen Rau nahestanden. Für Rau sei Klar noch nicht „gnadenwürdig“ gewesen, weshalb er das seit 2003 vorliegende Gnadengesuch „ruhen“ ließ.

Das Bundespräsidialamt hat inzwischen ein Gutachten des Freiburger Kriminologen Helmut Kury angefordert, das dieser im Auftrag des Stuttgarter Justizministerium erstellt und letzte Woche abgegeben hat. Das Gutachten selbst hat mit dem Gnadenverfahren aber nichts zu tun. Kury sollte überprüfen, ob bei Christian Klar ab Mitte 2007 Vollzugslockerungen – begleitete und unbegleitete Ausgänge sowie Hafturlaub – möglich seien, um ihn auf eine Entlassung Anfang 2009 vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt hätte Klar seine Mindesthaftzeit von 26 Jahren verbüßt.

Kury, der bis zu seiner Pensionierung im vorigen Jahr am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht arbeitete, hat sich intensiv mit Klar auseinandergesetzt. Im September sprach er fünf Tage mit dem Häftling. Das Treffen fand in der Freiburger Justizvollzugsanstalt statt, weil der Staat sonst für Kury ein Hotelzimmer in Bruchsal hätte bezahlen müssen, wo Klar normalerweise inhaftiert ist.

Zum Inhalt des Gutachtens wollte Kury nichts sagen, er deutet aber an, dass es positiv ausgefallen ist, er die Vollzugslockerungen also befürwortet. „Christian Klar ist jetzt 54 Jahre alt und sieht manches anders als früher“, sagte Kury gestern. Vermutlich falle ihm eine öffentliche Distanzierung von seinen Taten aber schwer, weil er sie als Abrücken von der Gruppe betrachte, deren Zusammenhalt beim Leben im Untergrund so extrem wichtig war, erklärte der psychologisch geschulte Kriminologe.

Kury wertete es als positiv, dass Klar an der Begutachtung bereitwillig teilnahm. „Das war nach seinem Verhalten im Prozess ja nicht selbstverständlich. Dort hat er so lange provoziert und ist auf den Tisch gestiegen, bis er ausgeschlossen wurde.“

Noch in den 90er-Jahren weigerten sich RAF-Häftlinge wie Karl-Heinz-Dellwo und Lutz Taufer, mit Sachverständigen auch nur zu reden, da sie schließlich nicht krank seien. Daran scheiterte zunächst die Freilassung Taufers und Dellwos auf Bewährung – obwohl sie dem bewaffneten Kampf längst öffentlich abgeschworen hatten. Der Bundesgerichtshof erlaubte deshalb später Gutachten „nach Aktenlage“. Ex-Generalbundesanwalt Kay Nehm wunderte sich neulich: „Es war fast noch schwieriger, sie aus dem Gefängnis herauszubekommen, als sie zu fassen und zu verurteilen.“

Kury erinnert sich gerne an die Gespräche mit Klar. „Er war wirklich offen und ich hatte nie den Eindruck, dass er mich anlügt.“ Als Privatperson befürworte er auch eine Begnadigung, um möglichst bald einen Schlussstrich unter das Kapitel RAF zu ziehen, „aber das ist eine politische Frage, die mit meinem Gutachten nichts zu tun hat“. Wegen des breiten Widerstands gegen eine Begnadigung Klars schlug Kury als Kompromiss vor, dass Klar bis 2009 als Freigänger am Berliner Ensemble als Bühnentechniker arbeitet und so lange abends ins Gefängnis zurückkehrt. Intendant Claus Peymann hatte Klar bereits im März 2005 ein Praktikum angeboten.

CHRISTIAN RATH