Die Ballade vom Sonnensammler

Nein, die Geschichte glaubt mir keiner: Die wilde Sammelleidenschaft hat meinen besten Freund, den Rainer, betört, verstört, dahingerafft.

Der Rainer sammelte ekstatisch und systematisch überdies die Sonne. War er so fanatisch nur, weil er Rainer Dunkel hieß?

Ich weiß nur dieses: Seine Ohren, die Augen, Arme, selbst sein Herz, die drehten sich als Kollektoren bei jedem Wetter sonnenwärts.

Er raffte Sonne, wo sie vorkam, ob groß, ob klein, ob leicht, ob schwer. Was ihm ins Auge fiel, ins Ohr kam, wo Sonne war, da war auch er.

Wenn er Gehalt bekam, dann sparte er es auf einer Sonnenbank zum großen Teil. Denn er verwahrte manch Sonnenschein im Küchenschrank.

Wo andre Brand auf Bier verspüren, verspürte er nur Sonnenbrand. Er trank, statt Wein zu konsumieren, nur Sonnenmilch am Sonnenstand.

Statt Treppen reichte ihm im Hause schon längst ein Sonnenaufgang nur. Statt Brot aß in der Frühstückspause er eine Sonnenscheibe pur.

Auch hat er seine zwei Toiletten mit Sonnenbrillen ausstaffiert. Und schließlich, darauf könnt ich wetten, noch Werner Sonne adoptiert.

Vor Wochen hab ich ihn gesehen am Fluss, im Boot, er rief mir zu: „Ich will die Sonne selbst begehen. Ich segle hin … zum Rendezvous.“

Dann setzte er die Sonnensegel. Die Sonnenwende … lupenrein. Sein Sonnenhut … ein winz’ger Kegel. Dann war er weg. Wo mag er sein?

Ich denke, er ist ungebeten, in dieser Liebe ungeübt, der Sonne doch zu nah getreten. Und sie hat ihn dann heiß geliebt.

Klaus Pawlowski