Studienanwärter können den Sommer genießen

Erstsemestern stehen im Sommersemester an der Freien und der Humboldt-Universität nur noch wenige Fächer zur Verfügung. Grund ist die besondere Struktur der Bachelor-Studiengänge. Das Studium wird dadurch unflexibler. Kritiker befürchten, dass deswegen auch die Studiendauer wieder ansteigt

Mit dieser Umtaktung werden die Studiengänge unflexibler, gibt die Humboldt-Uni offen zu

VON MARTIN KAUL

Wer sich bis Mitte Januar um einen Studienplatz zum Sommersemester bewerben wollte, staunte nicht schlecht: Theologie stand an der Humboldt-Universität (HU) zur Verfügung. Und noch ein paar Master-Studiengänge. Sonst nichts. An der Freien Universität (FU) war auch nicht viel mehr im Angebot: Zwischen ganzen acht Studiengängen konnten potenzielle Studis wählen. Alle anderen, nämlich alle Bachelor-Fächer, können nur noch zum Wintersemester begonnen werden. Zwar bleiben die Jahreskapazitäten an Studienplätzen im Wesentlichen gleich – doch dafür strömen die überwiegende Zahl der StudienanfängerInnen demnächst gleichzeitig in die Uni. Kritiker der neuen Regelung befürchten eine weitere Schwächung bei der Betreuung der Studierenden. Denn die Umstellung soll vor allem Ressourcen einsparen.

Anstatt wie früher zweimal im Jahr finden nur noch einmal im Jahr die Auswahl- und Zulassungsprozeduren an den beiden Unis statt. Und anstatt in jedem Semester werden Einführungsveranstaltungen nur noch im Wintersemester angeboten. Das spart Geld.

Doch dahinter steckt mehr: Mit der fast vollständigen Umstellung auf Bachelor-Studiengänge geht an der HU und der FU eine systematische Veränderung der Studienintervalle einher: Diese stark verschulten Studiengänge sind zunehmend in Jahreseinheiten organisiert. Häufig bauen zwei Semester aufeinander auf. Um ein Modul nach zwei Semestern abschließen zu können, muss in einem Semester etwa eine Basisveranstaltung besucht werden und im zweiten Semester die Ergänzung.

Die Neuerung ist: Ab sofort können die Basisveranstaltungen nur noch alle zwei Semester besucht werden. Weil die Universitäten davon ausgehen, dass alle Studierenden den exemplarischen Studienverlaufsplänen folgen, bieten sie die Basisveranstaltungen nur noch einmal im Jahr an. Auch das spart ordentlich Geld.

Doch hinter dem Sparpaket verbergen sich Tücken. Das Szenario ist einfach: Aus welchen Gründen auch immer kann ein Teilnehmer ein Grundlagenseminar nicht erfolgreich abschließen. Statt es im folgenden Semester erneut zu belegen, muss er dann häufig bis zum übernächsten Semester warten. Erst danach kann er das Modul abschließen.

Diese möglichen Wartezeiten, die aus der Umtaktung der Studiengänge entstehen, gehören zu den verdeckten Gründen, die schon jetzt in den Statistiken die Studiendauer und Semesterzahlen der Studierenden in die Höhe schnellen lassen. Pikant ist, dass die straffere Studienorganisation eigentlich zu einer Verkürzung der Studiendauer führen sollte. Denn dass Studierende sich durchs Studium trödeln, ist ein beliebter Vorwurf gegen sie. Genau dagegen wollte der Bologna-Prozess eigentlich angehen. Nun könnte genau das Gegenteil der Effekt sein – aus Mangel an Angebot.

Dass Studierende genau in diese Falle tappen, ist kein Einzelfall. Eine Umfrage der FU unter ihren Studierenden im Sommersemester 2006 ergab, dass 45 Prozent der Studis in den neuen Bachelor-Studiengängen nicht den vorgeschlagenen Verlaufsplänen folgen konnten. Die Gründe hierfür sind zahlreich: Auf Seiten der Universität zu hohe Leistungsanforderungen, fehlende Informationen und Veranstaltungsüberschneidungen; auf Seiten der Studierenden zum Beispiel ein Nebenjob, eine Schwangerschaft oder auch nur ein Auslandsstudium.

Die neue Jahrestaktung verschärft das Problem. Deshalb greifen Studierendenvertreter diese Struktur scharf an: „Diese Studienstruktur geht schlicht und einfach an den Studienrealitäten vorbei“, sagt David Hachfeld, studentisches Mitglied im Akademischen Senat der FU. Und ein Teilzeitstudium, wie es das Berliner Hochschulgesetz ausdrücklich ermöglichen soll, sei dadurch schon gar nicht mehr möglich.

Dass mit dieser Umtaktung die Studiengänge unflexibler werden, räumt selbst HU-Sprecherin Christine Schniedermann ein: „Es ist richtig, dass damit eine gewisse Unflexibilität einhergeht. Das sind Folgen des Bologna-Prozesses, den wir hier umsetzen müssen.“

Zwingend ist diese Praxis jedoch nicht. An der Technischen Universität (TU) etwa verzichtet man derzeit noch weitgehend auf diese Umstellung. „Wir könnten“, sagt Patrick Thurian, Controller für Studium und Lehre an der TU, „allein die Menge an Studierenden, die dann in einem Semester auf uns zukämen, gar nicht verkraften.“