Jukebox

Kleine Fehler sind liebenswert

Wie von der Zeitmaschine in die falsche Epoche gespuckt wirkt Sébastien Tellier in einem Video, das zur Veröffentlichung seines ersten Albums „L’Incroyable Vérité“ auf CD 2001 in Frankreich herauskommt. Mit langen Haaren, Rauschebart und fellartigem Mantel wendet er sich darin an seine Fans – und hat mehr Ähnlichkeit mit einem feuerwässrigen Indianerhäuptling als mit den hippen Versaillern von Air, die seine musikalischen Ziehväter und Freunde sind.

Der französische Musiker spielt gerne den Clown und den fröhlichen Bohemien: „Ich liebe es, das Bild eines Typen, der niemals arbeitet, abzugeben. Ich weiß nicht warum, aber das ist für mich das genaue Gegenteil eines traurigen Menschen.“ Spielend macht er auch Musik. Für ihn ist jedes Komponieren ein Verwerten von bereits gehörten Melodien und so klimpert Sébastien Tellier für ein neues Stück einfach so auf dem Klavier und hat nach etwa drei Stunden wie zufällig zwei Akkorde gefunden. Erstaunlich nur, dass sich das erste Album dieses Spaßvogels recht düster anhört. Tellier selbst rät sogar, es alleine im dunklen Zimmer bei Kerzenschein anzuhören. „L’Incroyable Vérité“ ist ein Sammelsurium aus Gitarren, Sampels, Geräuschen und gelegentlichem Gesang, bei dem Telliers Bewunderung für Robert Wyatt ebenso zum Audruck kommt wie für das zornige Temperament eines John Cale.

Seine Stimme versteckt der Pariser damals lieber noch hinter der Musik, weil er sich beim Singen ziemlich gehemmt fühle, wie er zugibt, so als müsse er wieder vor seinen Klassenkollegen in der Grundschule stehen. Für sein im April diesen Jahres bei Rekordmakers erschienenen Album „Sessions“ aber hat er seine Falsettstimme neu entdeckt: Einzig begleitet mit einem Piano singt Sébastien Tellier acht seiner Stücke. „Alle Platten, die ich liebe, haben unperfekte Stellen“, hat Tellier einmal gesagt und damit auch seine eigene Musik beschrieben. Andrea Edlinger