Wie erleben Sie den Klimawandel? Folge 5: Hüttenwirt Hansjörg Barth auf der Zugspitze
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Ort: Zugspitze, Bayern

Klimawandel: Regen statt Schnee

Betroffen: Hansjörg Barth,

Hüttenwirt

Eisig fegt der Wind an diesem Samstagmorgen Anfang November über die Zugspitze, minus 16 Grad zeigt das Thermometer an der Bergstation auf 2.960 Meter. Gleich zwei davon gibt es auf dem eigentlich nur wenige Dezimeter breiten Felsgrat – eine von den Österreichern und eine von den Deutschen, die damit das alpine Hochgebirge für den turnschuhtragenden Tourismus erschlossen haben. Und zwar gründlich: Inzwischen gibt es auch ein wohlig-warmes Großrestaurant mit Panoramafenstern – samt Hauslift, japanischsprachigen Wegweisern und urbayerischem Stüberl. Wer das Haus nicht verlässt, den erinnert nur der Blick aus dem Fenster daran, welchen Platz sich der Mensch untertan gemacht hat. Auf der Nordseite stürzt die Felswand über einen Kilometer tief beinahe senkrecht zum Eibsee ab – wer nach Süden schaut, hat das Zugspitzplatt vor Augen: Ein paar Schlepplifte, die Bergstation der Zugspitz-Zahnradbahn. Und den Gletscher.

Von Mai bis Oktober ist das der Arbeitsplatz von Hansjörg Barth. In diesen Monaten betreut der 57-Jährige das Münchner Haus des Alpenvereins, das sich zwischen die beiden Seilbahnstationen schmiegt und 27 Matratzenlager für Bergsteiger bietet. Seit 25 Jahren fährt er – wie schon sein Vater und sein Großvater – jeden Sommer aufs Neue hinauf, bereitet abends warme Mahlzeiten, kümmert sich in Notfällen gemeinsam mit der Bergwacht um Abgestürzte – und hat dabei immer das Eis im Blick, das sich im Kessel des Wettersteinmassivs ausbreitet. Nicht mehr lange, wenn die Experten recht behalten: Momentan glitzert der Gletscher zwar im ersten Schnee. In der warmen Jahreshälfte aber, wenn Barth normalerweise oben ist, verliert die 45 Hektar große und bis zu 70 Meter dicke Platte täglich um 10 Zentimeter, oder anders ausgedrückt: 35 Millionen Liter Wasser. Das ist der tägliche Bedarf einer Großstadt mit einer Viertelmillion Einwohnern. Zwanzig Jahre hat das bayerische Umweltministerium der Zugspitze noch gegeben, dann wird die Erderwärmung das ewige Eis vernichtet haben – da können auch gelegentliche Schneestürme im Sommer oder monatelange Tiefsttemperaturen im Winter nichts ausrichten.

„In diesem Sommer hat man vom Gletscher nur ein paar schwarze Flecken gesehen“, erinnert sich der 58-jährige Bayer Barth, der unten in Garmisch-Partenkirchen auch eine Skischule betreibt. Es war das blanke, von Felsstürzen verschmutzte Eis. Keine weiße Pracht mehr, wie in diesen Tagen, dazu hatte es im Sommer zu wenig geschneit. Viermal nur hat Barth in diesem Jahr die Schneefräse auspacken müssen, um das Münchner Haus von Schneeverwehungen zu befreien – früher kam das bis zu 40-mal vor. „Man merkt schon, dass es wärmer wird“, sagt Barth, „das meiste kommt inzwischen als Regen runter.“ Bloß bei der Ursache, da ist er sich nicht einig mit den „ganzen Professoren“, die der Zugspitze immer wieder einen Besuch abstatten und die Menschen verantwortlich machen für die Erderwärmung: „Vor 20 Jahren ham’s auch g’sagt, das Baumsterben kommt wegen den ganzen Autos. Heute redet keiner mehr davon, und die grünsten Bäume, die ich kenn’, stehen mitten in München.“ Komisch sei das, und überhaupt sei das mit dem Klima eine Sache, die doch eigentlich schon immer stattgefunden habe: „Früher liefen die Dinosaurier herum, da war hier oben ein Zirbenwald – die Zeiten ändern sich eben, da haben wir Menschen kaum Einfluss drauf.“   MH