Nette Worte für Benachteiligte

Von der Leyen und Špidla eröffnen Europäisches Jahr der Chancengleichheit. Es gibt viel zu tun. Die meisten Bürger glauben: Die Diskriminierung von Minderheiten nimmt zu

BERLIN taz ■ Sie rückten an mit Zahlen und Tabellen, mit Plädoyers und Appellen: Ursula von der Leyen, deutsche Familienministerin (CDU), und Vladimír Špidla, EU-Kommissar für Soziales, eröffneten gestern in Berlin das Europäische Jahr der Chancengleichheit. Das Ziel: Energischer als zuvor sollen die Länder gegen Benachteiligungen vorgehen.

So weit der Anspruch. Ob dies mehr ist als ein PR-Event, bei dem Anliegen, die selbstverständlich sein sollten, medienwirksam betont werden, muss sich erst erweisen.

Noch ist das neue Motto-Jahr primär ein Anlass, Theorie und Praxis zu vernetzen. Bei einem gestern begonnenen „Gleichstellungsgipfel“ treffen sich PolitikerInnen und ForscherInnen vieler Länder und tauschen ihr Wissen aus. Das Themenjahr lässt sich aber auch als Versuch lesen, das ferne Konstrukt EU, unter dem sich viele seiner Bürger wenig vorstellen können, auf alltägliche Probleme herunterzubrechen: auf die Lebenswelt von Frauen, die sich fragen, warum sie weniger auf dem Gehaltszettel stehen haben als ihre männlichen Kollegen. Oder auf das Empfinden junger Menschen, die mutmaßen, dass sie nur wegen ihres arabischen Namens keine Lehrstelle bekommen haben. Wohl nicht zufällig lesen sich die Mottos der „Europäischen Jahre“ wie ein Spiegel zentraler Diskussionen: 2006 war das Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer. 2008 soll das Jahr des interkulturellen Dialogs werden.

Quasi als Aufgabenstellung präsentierte von der Leyen gestern einige Ergebnisse des aktuellen Eurobarometers. Demnach meint etwa die Hälfte der Befragten, ihr Land unternehme zu wenig gegen Diskriminierung. Verschoben hat sich nach Meinung vieler Befragter aber, wer benachteiligt wird: Die Diskriminierung ethnischer Minderheiten hat demnach eher zugenommen. Frauen hingegen stehen etwas besser da als noch vor fünf Jahren. Dass EU-Bürger es nicht hinnehmen müssen, wenn sie wegen ihres Alters oder ihrer sexuellen Neigung benachteiligt werden, ist nur einer Minderheit bekannt. Zumindest das könnte sich im Jahr der PR-Aktionen und Themen-Diskussionen ändern. COSIMA SCHMITT