Der Aufschwung ist erstaunlich stabil

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer kann der positiven Wirtschaftsentwicklung offenbar kaum etwas anhaben. 1,8 Prozent Wachstum und sinkende Arbeitslosigkeit prognostiziert der Sachverständigenrat. Rot-Grün bereitete Boden für Erholung

VON HANNES KOCH

Die Aufregung über die bevorstehende Erhöhung der Mehrwertsteuer lässt nach. Trotz der zusätzlichen drei Prozent ab Januar gehe der Aufschwung 2007 weiter, prognostizierten die Wirtschaftsberater der Bundesregierung gestern. Dieses Jahr wachse die deutsche Ökonomie um 2,4 Prozent, 2007 immerhin noch um 1,8 Prozent.

Für Pessimismus sieht der Sachverständigenrat, der aus vier Wirtschaftsprofessoren und einer Professorin besteht, keinen Anlass. Eher im Gegenteil: „Wir haben die Stärke des Aufschwungs falsch eingeschätzt“, sagte Bert Rürup, der Vorsitzende des Gremiums. Die Arbeitslosigkeit werde 2007 weiter abnehmen. Im Durchschnitt würden im kommenden Jahr noch 4,2 Millionen Menschen einen neuen Job suchen (Quote: 10,2 Prozent). Parallel soll die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze um 300.000 auf 26,6 Millionen zunehmen und die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt auf 39,3 Millionen.

Der Aufschwung habe „schon 2005 an Breite gewonnen“, sagte Rürup. Mit anderen Worten: Die rot-grüne Regierung, nicht die große Koalition legte die Basis dafür. Unter anderem die Senkung der Einkommensteuer habe dazu beigetragen, dass die Bundesbürger auf die allgemein bessere Lage nun auch mit höheren Konsumausgaben reagieren.

Trotz halbwegs guter Aussichten: Der Sachverständigenrat wäre nicht er selbst, wenn er die Regierung nicht als inkonsequent und ängstlich kritisieren würde. „Die guten Ansätze haben sich verheddert“, so Rürup. Positiv bewertete der Sachverständigen-Chef die Einführung der Rente mit 67 und die Entlastung der Unternehmen durch die Senkung der Steuersätze. Die beabsichtigte Gesundheitsreform allerdings bringe keinen Fortschritt, vermuten die Ökonomen. Weder schaffe der Finanzierungsfonds, auf den sich Union und SPD geeinigt haben, einen „einheitlichen Gesundheitsmarkt“, noch führe er dazu, die Lohnnebenkosten zu drücken.

Auch bei der Reform des Arbeitsmarktes passiere zu wenig. Der Sachverständige Wolfgang Wiegard plädierte dafür, den Kündigungsschutz der Beschäftigten zu schwächen, um einen schnelleren Austausch zwischen Erwerbslosen und Arbeitenden zu erreichen. Mehr „soziale Mobilität“ reduziere das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit.

Wie üblich widersetzte sich nur einer der grundsätzlich liberalen und wirtschaftsfreundlichen Linie des Rates: Professor Peter Bofinger von der Uni Würzburg. Ständiges Sparen in den staatlichen Haushalten, wie von der Ratsmehrheit gefordert, sei nicht der Weisheit letzter Schluss, so Bofinger. Um etwa die Bildungsinfrastruktur zu verbessern, müsse die Regierung die Staatsquote, mithin die Ausgaben, erhöhen und nicht senken.

Apropos „falsche Einschätzung des Aufschwungs“: Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ist zunehmend irritiert von der mangelnden Aussagekraft mancher Prognose. Es könnte deshalb sein, dass es den Sachverständigenrat in seiner jetzigen Form nicht mehr allzu lange gibt.