„Olympia ist eine Perversion“

SOMMERINTERVIEW Dora Heyenn, Fraktionschefin der Linken in der Bürgerschaft, über mühsame Opppositionsarbeit gegen die SPD, Olympische Spiele und die Hamburg-Wahl

■ 65, war von 1971 bis 1999 SPD-Mitglied und von 1990 bis 1992 Landtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein. 2005 ging sie zu WASG, die seit 2007 Die Linke ist. Seit 2008 ist sie Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und Fraktionschefin der Linken. Die Lehrerin ist verwitwet und hat drei Kinder.

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Frau Heyenn, seit dreieinhalb Jahren opponieren Sie und Ihre Fraktion gegen Bürgermeister Olaf Scholz und dessen SPD. Wie groß ist der Frust?

Dora Heyenn: Es war erschütternd zu sehen, dass die SPD schon nach kurzer Zeit glaubte, ihr gehöre wieder die ganze Stadt. Aber gegen diese Arroganz der Macht hat sich die gesamte Opposition gewehrt. Und wir als Linke haben vor allem in der Sozial- und Flüchtlingspolitik gegengehalten. Da musste die SPD doch mehrfach einlenken.

Aber hat sich denn die soziale Lage in Hamburg verbessert?

Nein, die soziale Spaltung der Stadt hat sich verschärft.

Dann hat die Linke aus der Opposition heraus nichts erreicht.

Unsere Vorschläge sind fast alle abgeschmettert worden, das verdeutlicht das unterschiedliche Politikverständnis.

Schöpft der Senat bei der Umsetzung des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Energienetze seine Möglichkeiten aus?

Ja. Senat und SPD haben ihre Niederlage akzeptiert, das muss man anerkennen. Beim Stromnetz ist die Umsetzung des Volksentscheids bereits gelungen, bei Gas und Fernwärme noch nicht. Da müssen wir noch genau darauf achten, dass das auch rasch passiert. Was noch nicht gelungen ist, ist die Umsetzung des zweiten Satzes des Volksentscheids: die demokratische Kontrolle. Die Übernahme des Fernwärmenetzes ist um Jahre, bis 2019, nach hinten verschoben worden. Ist das eine Umsetzung des Volksentscheides oder dessen Ignorierung? Da werden wir weiter hartnäckig sein müssen.

Warum mag die Linke eigentlich keinen Sport? Sie lehnen Olympische Spiele in Hamburg rundweg ab.

Nicht grundsätzlich. Aber was in den letzten zwei Jahrzehnten aus dem Olympischen Gedanken gemacht wurde, ist eine kommerzielle Perversion. Das hat mit Sportsgeist und Völkerverständigung nichts mehr zu tun. Zudem würde es die Stadt sehr viel Geld kosten. Schauen Sie sich doch mal die Investitionsruinen der Winterspiele in Sotschi oder der Fußball-WM in Brasilien an: Diese Gigantomanie ist unverantwortlich.

Die Senatslinie ist: Das muss nachhaltig sein, sonst machen wir das nicht. Wäre das für Sie ein Grund, neu zu überlegen?

Dann könnten wir noch mal darüber reden. Aber wir bezweifeln, dass es nachhaltige, soziale und bezahlbare Spiele geben kann. Allein die Stadien und Hallen, die gebaut werden müssen.

Bereits hinter uns haben wir die Bezirkswahlen vom 25. Mai mit einer Wahlbeteiligung von nur 41 Prozent: Minusrekord. Sollte das neue Wahlrecht wieder geändert werden?

Nein, dafür gibt es keinen Grund. Nachdenken könnte man aber über die Anzahl der Wahlkreise, die mit 54 viel zu hoch ist. Bei der Bürgerschaftswahl gibt es nur 17 Wahlkreise. Das wäre vollkommen ausreichend. Aber das Mehrstimmenrecht mit Panaschieren und Kumulieren hat sich bewährt, da gibt es nichts zu rütteln.

Wäre es nicht sinnvoll, die Bezirkswahlen wieder an die Bürgerschaftswahlen zu koppeln, damit die Wahlbeteiligung zunimmt? 2011 hatte sie noch bei 54,3 Prozent gelegen.

Darüber kann man nachdenken.

Der Verein „Mehr Demokratie“ möchte Hamburg als Einheitsgemeinde auflösen und aus den sieben Bezirken eigenständige Großstädte im Bundesland Hamburg machen. Was halten Sie davon?

In Hamburg dominiert nach fast zehn Jahren (September 2001 – Februar 2011) CDU-geführter Regierungen wieder die SPD.

■ Wahl 2011: Die SPD erreichte mit 48,4 Prozent die absolute Mehrheit (62 von 121 Mandaten). Die Opposition: CDU 21,9% (28 Sitze), Grüne 11,2% (14), FDP 6,7% (9), Linke 6,4% (8).

■ Wahl 2015: Eine erneute absolute Mehrheit der SPD ist fraglich. Gefährdet ist der Wiedereinzug der FDP, offen der erstmalige Einzug der AFD.

■ Die Linke: Sie entstand 2007 durch die Fusion der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) mit der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG). Sie ist seit 2008 in der Bürgerschaft vertreten.

Auf dem Landesparteitag im Juni hat die Linke beschlossen, dass wir für eine Stärkung der Rechte der Bezirke sind. Dies bedeutet in erster Linie ein eigenes Budgetrecht für die Bezirke. Der Landesparteitag hat die Forderung, die Einheitsgemeinde abzuschaffen, abgelehnt. Wir wollen erstmal den Gesetzentwurf abwarten, den „Mehr Demokratie“ nach der Sommerpause vorlegen will. Dann beginnt vermutlich die Diskussion wieder neu.

Die nächste Bürgerschaftswahl ist am 15. Februar 2015. Möglicherweise verliert die SPD die absolute Mehrheit und braucht einen Koalitionspartner. Stünde die Linke bereit, Verantwortung zu übernehmen?

Prinzipiell ja, aber nicht mit der Hamburger SPD: Die ist zu einem wirklichen Politikwechsel nicht bereit. Und wir sind nicht bereit, uns als Feigenblatt und Steigbügelhalter herzugeben. Zudem ist für uns eine Koalition mit Olaf Scholz, dem Architekten der Agenda 2010, nicht vorstellbar.

Nie?

Wenn er sich für die Agenda 2010 entschuldigt, könnten wir nochmal überlegen. Aber das wird wohl nicht passieren.

Werden Sie bei der Wahl im Februar zum dritten Mal als Spitzenkandidatin der Linken kandidieren?

Ich werde mich auf dem Parteitag im Oktober darum bewerben. Wenn die Partei mich haben will, mache ich das gerne wieder.

Vollständiges Interview auf www.taz.de/nord/hamburg