DISKUTIEREN IM SUPERMARKT
: Die Fäuste schütteln

Und plötzlich werde ich wütend, und – ich geb’s zu – unhöflich

Ich stehe an der Kasse und denke, ich hör nicht richtig. „Die soll da weg“, sagt der vor mir zur Kassiererin. „Machen Sie was.“ Er deutet durchs Schaufenster auf die Straßenfeger-Verkäuferin vor der Ladentür. „Sie können ihr verbieten dazustehen. Das ist kein öffentliches Land, sondern Ihres, so direkt vor der Tür. Alles kriminelle Banden sind die!“, setzt er hinzu. Die Kassiererin nickt. Ich nicke nicht, ich räuspere mich. Ganz höflich tu ich das, und ganz höflich spreche ich den Mann vor mir auch an. „Woher, bitte sehr, wollen Sie das denn wissen?“, frage ich ihn. Sein Kopf fliegt zu mir rum; er mustert mich, so von oben nach unten. Dann schnaubt er. „Ich weiß das.“ – „Ja, und woher?“ – „Das muss ich doch nicht sagen!“, braust er auf. Ich bleib ruhig und immer noch höflich. „Dann muss ich Ihnen das auch nicht glauben“, sage ich, „Kriminelle und Banden“. – „Mir scheißegal, ob du mir glaubst“, unterbricht er mich und wendet sich ab, wieder der Kassiererin zu. „Tun Sie nun was?“

Die Kassiererin tut was: Sie verweist ihn an ihren Chef.

Als ich meine Einkäufe bezahlt habe, steht er mit dem direkt an der Tür und schaut hinaus. Ich schaue auch. Kriminell sieht sie nicht aus, die Straßenfeger-Verkäuferin, sondern eher wie – tja, wie eben ’ne Obdachlosenzeitung-Verkäuferin. Einen ganzen Stapel hat sie im Arm. Und plötzlich werde ich wütend, und – ich geb’s zu – unhöflich, ein bisschen.

„Ich glaube, du spinnst“, sage ich zu dem, der die Frau da nicht vor dem Laden haben will. Er fährt zu mir herum. „Woll’n wir mal?“, fragt er mich und schüttelt seine Fäuste vor meinem Gesicht. „Können wir gern diskutieren!“ Diskutieren, aha. Diskutieren geht anders, denk ich. Und weil der Typ das aber anscheinend nicht weiß, sage ich „Nö“ und gehe. Nach draußen, zu der Straßenfeger-Verkäuferin. Eins fünfzig kostet eine Zeitung. JOEY JUSCHKA