Sichtschutz und Sexualaufklärung

MISSBRAUCH Die Bremer Bäder starten eine Kampagne zum Umgang mit sexuellen Übergriffen. Badegäste sollen aufmerksam sein, Täter abgeschreckt werden

„Einen Täter nur außen zu suchen ist zu kurzsichtig“

Sandra Lachmann, Bremer Bäder

Von Jean-Philipp Baeck

Im April starten die Bremer Bäder eine Kampagne zu sexuellen Übergriffen. Unter dem Motto „Ich sag’s“ werden MitarbeiterInnen und Badegäste durch Spruchbänder an den Kacheln und Broschüren aufgefordert, sexuelle Anmache oder ungewollte Berührungen bei Kindern nicht zu ignorieren, sondern einzuschreiten und zu melden.

Die MitarbeiterInnen werden im Rahmen der Kampagne geschult, wie sie bei einem sexuellen Übergriff professionell reagieren. Nach Bielefeld ist die städtische Gesellschaft mit ihren 14 Hallen- und Freibädern bundesweit die zweite, die sich offen dem Problem sexueller Belästigung oder Gewalt in Badeanstalten widmet.

Nach einem Vorfall im Bremer Westbad im Sommer letzten Jahres habe man festgestellt, dass die MitarbeiterInnen bei sexuellen Übergriffen schon intuitiv richtig handelten, sagte Sandra Lachmann von den Bremer Bädern. „Bislang hat es jedoch keine Professionalisierung im Umgang mit sexuellen Übergriffen gegeben.“ Eine Nachfrage aus dem Sportressort habe den Impuls gegeben, Mitte 2010 Expertisen über Handlungsmöglichkeiten bei sexuellen Übergriffen einzuholen. Ab April startet nun die öffentliche Kampagne. Die Hochschule für Künste half in gestalterischen Fragen, fachliche Beratung kam von der Missbrauchsberatungsstelle Schattenriss e. V. und der Fachstelle für Gewaltprävention. Finanziert werde alles durch die Umlage eigener Mittel, so Lachmann. Im Gegensatz zur Bielefelder ziele die Bremer Kampagne auf beide Geschlechter.

„Natürlich gab es auch die Befürchtung, dass das nach hinten losgehen könnte“, sagt Lachmann. Die Angst, dass die Assoziation von Schwimmbädern und sexueller Gewalt einen Imageschaden hervorrufen könne, sei wohl der Grund, warum andere Bäder sich bislang dem Thema nicht offen gewidmet hätten. „Aber wer einen Schritt weiterdenkt, versteht, dass so eine Kampagne von Verantwortungsbewusstsein zeugt und die Täter abschreckt“, so Lachmann.

Tabuisierung sei nicht mehr zeitgemäß, hieß es in einer Präsentation der Kampagne am Dienstag vor dem Ausschuss für die Gleichstellung der Frau der Bremischen Bürgerschaft. Schwimmbäder seien für Pädophile ein beliebter Anlaufpunkt. Daher solle es künftig Informationsmaterial, Teamgespräche und eine Expertenrunde auch für Verdachtsfälle im Kollegenkreis geben. „Einen Täter nur außen zu suchen ist zu kurzsichtig“, so Lachmann. Auch bauliche Verbesserungen, wie erweiterter Sichtschutz oder die Beleuchtung dunkler Ecken gehören zu den Maßnahmen. Auf der Kampagnenwebsite „ich.sags.de“ wird Eltern empfohlen, das Selbstbewusstsein der Kinder zu fördern, sie ernst zu nehmen und durch eine altersgemäße Sexualaufklärung die Fähigkeit zu vermitteln, übergriffiges Verhalten überhaupt zu erkennen.