DIETMAR LYKK, TOTENSAND
: Immobilienhaie, eine Leiche und ein bisschen James Bond

Einen Deich gibt es nicht, bloß ein Altersheim, zwei Häuser und eine im Ostseestrandsand verbuddelte Leiche

Das Marketing mancher Verlage hat dem Regionalkrimi zu einiger Verbreitung verholfen – und zu einem zweifelhaften Ruf. Sind Regionalkrimis wirklich so provinziell? Das will diese Serie in loser Folge ergründen.

Den Liebhabern von Krimis wird es zunehmend leichter gemacht, sofort zum richtigen Buch – oder besser – zur passenden Region zu greifen. Allein beim Emons Verlag, in dem auch der dritte Krimi von Dietmar Lykk um den ewig Fischbrötchen essenden Kommissar Lüthje und seinen Freund und Kollegen Malbek erschienen ist, kann man sich zwischen mehr als 50 verschiedenen Krimi-Arten entscheiden, die meisten mit regionalem Bezug: Im Norden hat man die Wahl zwischen Hinterm Deich, Hamburg Krimi, Hannover Krimi, Elbkrimi Krimi und Küsten Krimi.

„Totensand“ fällt unter Küsten Krimi, denn einen Deich gibt es im fiktiven Örtchen Dodensand irgendwo an der Geltinger Bucht bei Kappeln nicht. Bloß ein Altersheim, zwei Häuser und eine im Ostseestrandsand verbuddelte Leiche.

Los geht es zunächst in Kiel, wo bei einem Einsatz ein Kollege aus dem Drogendezernat erschossen wird. Malbek gibt seinem Kommissarskollegen Lüthje die Schuld an dem missglückten Zugriff – und die beiden Männer, die in den beiden vorherigen Lykk-Krimis „Totenschlüssel“ und „Totenuhr“ immer gemeinsam auf die Lösung des Falles gekommen waren, zerstreiten sich über den Tod des Kollegen beinahe.

Dann findet ein Junge – der Sohn des erschossenen Kollegen, wie sich herausstellt – beim Buddeln am Strand von Dodensand eine halb verweste Leiche. Die beiden Kommissare schmollen zwar noch eine Weile und reden nicht miteinander, aber sie finden letztlich über die Ermittlungen wieder zueinander.

Der in Kiel geborene und heute in Flensburg lebende Dietmar Lykk will im dritten Krimi viel unterbringen: Es geht um die so genannten Romeo-Einsätze, also um Agenten, die zu DDR-Zeiten zu Spionagezwecken mit Mitarbeiterinnen in Sicherheitsbehörden oder Bundesministerien anbändelten, den Pflegenotstand und die teils unwürdigen Bedingungen für Pflegebedürftige in Heimen und um hartherzige Spekulanten und Immobilienhaie, die sich einen Teufel um Tradition und friedliche Strände scheren.

Lykk recherchiert ordentlich, seine Ortskenntnisse machen Spaß und er kennt seine Protagonisten genau. Aber hin und wieder lässt er dann Figuren auftauchen, die bloße Staffage sind und die Handlung nirgendwo hinbringen. Dann wird es sperrig und „der Overall“ kommt vorbei oder „der Kleiderschrank“ trägt etwas weg.

Abgesehen davon, ist „Totensand“ ein kurzweiliger Krimi mit Ostseefernwehpotential. Das Ende ist dann aber nur etwas für die Leser und Leserinnen, die eine Vorliebe für James Bond und den ganz großen Showdown haben. Denn was eben noch ein Küsten Krimi war, endet auf einer Yacht mit einer Tanzfläche, die sich auf Knopfdruck in einen Pool verwandelt und einem Superbösewicht, der unseren Helden auf die dunkle Seite der Macht holen will.

ILKA KREUTZTRÄGER

Dietmar Lykk, Totensand, Emons, 253 S., 9,90 Euro