Gericht stoppt Abschiebung Minderjähriger

ROMA Sie sind in Deutschland geboren, wuchsen hier auf, ihr Vater ist tot. Trotzdem versuchte der Landkreis Wesermarsch zwei Jungen, deren Mutter als verschollen gilt, allein ins Kosovo abzuschieben

In Ungarn wurden sie von ihrer Mutter getrennt, seitdem haben sie keinen Kontakt

Der Landkreis Wesermarsch hat zwei Mal versucht, zwei minderjährige Roma ins Kosovo abzuschieben, obwohl diese sich unbegleitet in Deutschland aufhalten. Doch ein Verwaltungsgericht untersagte der Behörde nun, dem Aufenthalt der 15 und 17 Jahre alten Brüder Ibrahim und Kujtim D. ein Ende zu setzen.

Ihre Biographie ist tragisch: In den 1990er Jahren wurden sie als Kinder kosovarischer Bürgerkriegsflüchtlinge in Nordrhein-Westfalen geboren. „Sie sind dort aufgewachsen und zur Schule gegangen“, berichtet ihr Cousin Jeton Hajrizi, der in Nordenham lebt. Doch 2009 schlossen Deutschland und das Kosovo ein „Rücknahmeabkommen“. Obwohl über ihren Asylantrag bis heute nicht letztinstanzlich entschieden wurde, schob man die Brüder und ihre Mutter nach Pristina ab. „Dort stand die Familie vor dem Nichts, sie lebte dort unter äußerst schwierigen Umständen. Wie viele Roma wurden sie angegriffen“, sagt Bastian Wrese vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. Im Dezember machten sie sich erneut auf den Weg nach Deutschland, Schleuser sollten sie über die Grenze bringen. „In Ungarn wurden die Jungs dabei von ihrer Mutter getrennt, seitdem haben sie keinen Kontakt mehr“, sagt Wrede. Allein schlugen die beiden sich zu Hajziri durch. Der ging mit ihnen zum Jugendamt, wollte sich als Vormund bestellen lassen. Doch stattdessen schickte das Amt sie zur Ausländerbehörde, die die beiden sofort festnehmen ließ. Ein Anwalt holte sie aus dem Gefängnis. Ein zweiter Abschiebeversuch scheiterte im Januar, die beiden waren nicht anwesend, als die Polizei kam. Weil ihre Mutter verschollen, der Vater tot und das Kosovo ihnen „völlig fremd“ sei, entschied das Verwaltungsgericht Münster nun, dass eine Abschiebung unzulässig sei. Die Betreuung der beiden sei nicht gewährleistet, „möglicherweise besteht Gefahr für Leib und Leben“. Sie dürfen nun hier den Ausgang ihres Asylverfahrens abwarten. Der Landkreis lehnte auf Anfrage eine Stellungnahme ab. CHRISTIAN JAKOB