„Kopfsteinpflaster ist besonders laut“

Lärm ab 65 Dezibel gilt als gesundheitsschädlich, sagt Manfred Breitenkamp. Er lässt derzeit eine Lärmkarte von Berlin erstellen. Darauf wird auch sichtbar werden, dass leise Ecken zumeist auch teure Wohngegenden sind

taz: Herr Breitenkamp, Sie arbeiten gerade an einer Lärmschutzkarte für Berlin. Wie funktioniert das?

Manfred Breitenkamp: Wir errechnen anhand von Daten aus der Verkehrszählung die Lärmemissionen für sämtliche Hauptverkehrsstraßen. Das heißt, in jeder Straße werden die Fahrzeuge pro Stunde gezählt, aufgeschlüsselt nach Fahrzeugtypen und Tageszeiten und Faktoren wie Fassadenhöhe und Straßenbelag. Bis Mitte des Jahres werden wir eine Karte vorlegen, an der man die Intensität der Lärmbelastung genau ablesen kann.

Wann ist eine Straße besonders laut?

Da gibt es viele Variationen: schwerer Lkw-Verkehr, Kopfsteinpflaster, das ständige An-und Abfahren an einer Ampel oder Bushaltestelle. Außerdem kommt es auf die Tageszeit an, wann der Lärm als Belastung empfunden wird. Tagsüber gelten Werte ab 65 Dezibel als gesundheitsschädlich. Nachts reichen schon 55 Dezibel, um das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erhöhen. Wir rechnen sogar noch genauer: Unsere DEN-Norm unterscheidet zwischen Day, Evening und Night.

Rechnen Sie nur, oder fahren Sie auch mit Messgeräten durch die Straßen?

Messungen sind viel zu ungenau, weil sie zufällig sind. Wenn Sie an einer Straßenecke ein Mikrofon aufstellen und zufällig ein Bierwagen vorbeifährt, was sagt das aus? Dass um 11.52 Uhr ein Bierwagen vorbeigefahren ist. Berechnungen auf Basis der Verkehrszählung sind einfach zuverlässiger.

„Im Hinterhaus ist es ruhiger“ – ist das eigentlich eine Binsenweisheit?

Nein, gesunder Menschenverstand. Schon zu Zeiten der Pferdefuhrwerke ging das Schlafzimmer typischerweise nach hinten raus. Der Schall wird von der Häuserwand abgefangen. Wer zur Straße wohnt, bekommt den ganzen Verkehrslärm ab. Im Hinterhaus hört man meist nur ein Rauschen. Und den Lärm der Nachbarn. Eine schlecht Klavier spielende Nachbarin kann übrigens auch der Gesundheit schaden. Aber das erheben wir nicht.

Nicht jeder Mensch kann sich eine Wohnung im ruhigeren Hinterhof leisten. Ist Ihre Lärmkarte auch ein sozialer Indikator?

Wenn Sie die Lärmemissionen zum Beispiel an der Neuen Kantstraße mit denen an einer Nebenstraße im Grunewald vergleichen und dann die Mieten anschauen, kann man den Zusammenhang nicht leugnen.

Wie wohnen Sie eigentlich?

Vorne raus, mit dem Schlafzimmer nach hinten. Aber zum Glück in einer Seitenstraße.

Interview: Nina Apin