Angriff bleibt ungesühnt

PROZESS Ein Schüler übt bei Kundgebung der „Bürgerbewegung pro Deutschland“ in Göttingen Zivilcourage. Weil nicht genau festgestellt werden kann, wer ihn verletzt hat, bleibt das ohne Folgen

Der Schüler nutzte die Möglichkeit und rief durch das Megafon „Nazis raus“

Das Amtsgericht Göttingen hat ein Verfahren wegen Köperverletzung gegen den Generalsekretär der „Bürgerbewegung pro Deutschland“ (Pro), Lars Seidensticker, und einen weiteren Funktionär eingestellt. „Diese Entscheidung ist natürlich nicht erfreulich“, sagte Rasmus Kahlen, Anwalt eines 18-jährigen Schülers, der bei einer Kundgebung der Pro Zivilcourage gezeigt hatte und angegriffen worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte deshalb einen Strafbefehl gegen die Pro-Leute beantragt.

Während des Bundestagswahlkampfs 2013 hatte die Pro nahe der Al-Iman-Moschee in Göttingen zum Protest gegen „Salafisten“ aufgerufen. Seidenstricker bot umstehenden Personen das Mikrofon an. Der damals 17-jährige Schüler nutzte die Möglichkeit, wetterte aber nicht, wie von „Pro“ erhofft, gegen Muslime, sondern gegen Rechtsextreme und rief technisch verstärkt „Nazis raus“ und „Nationalismus raus aus den Köpfen“.

In der Verhandlung schilderte der Schüler, dass Seidensticker ihm das Mikrofon entreißen wollte, der andere Funktionär ihn in den Schwitzkasten genommen habe, während eine weitere Person ihn von hinten angriff. Videoaufzeichnungen der Polizei dokumentierten den Angriff auf den Schüler, der Hämatome und Schürfwunden davon trug.

Seidenstickers Anwalt Alexander Heinig sah das aber anders. In dem Video sei von seinem Mandanten lediglich ein Ausfallschritt zu sehen, sagte Heinig. Der Staatsanwalt erkannte auch nur eine reflexartige Bewegung, die zu keiner Verletzung geführt habe und empfahl, den Vorfall niedrig zu hängen.

„Ein Reflex war das für mich nicht“, sagte die Richterin. Der körperliche Übergriff sei nicht in Ordnung gewesen. Sie entschied dennoch die Einstellung.

In dem Tumult habe sein Mandant nicht genau erkennen können, wer ihn getreten habe, sagte der Anwalt des Schülers, Kahlen. Die Entscheidung sei endgültig, sagte er. Als Nebenkläger könne sein Mandant nicht dagegen vorgehen.  ANDREAS SPEIT