Buddha, Aufguss, Currywurst

WELLNESS Zwang zur Nacktheit und ein herber Hauch von Wenik: Das Vabali Spa in Moabit will die Berliner mit einer Saunalandschaft im edlen Ambiente in den Urlaub schicken. Da kann man schon mal den Honigaufguss verpassen

Die Türen im Ruheraum klappten zu laut, außerdem gebe es draußen keine Uhr

VON NINA APIN

Bastlaternen schaukeln im Wind, entspannte Menschen in Badelatschen schlendern über einen Holzsteg und verschwinden unter einem geschnitzten Torbogen. Wäre da nicht die Aussicht – links das Stadtbad Tiergarten, rechts der Fußballplatz des Poststadions – man könnte sich glatt im Urlaub wähnen. Das neu eröffnete „Vabali Spa“ ist ganz im balinesischen Stil gehalten – Exotik, nur zehn Minuten entfernt vom Hauptbahnhof.

Buddha-Statuen, filigrane Holzschnitzereien, thronähnliche Sessel: bei der Ausstattung des 20.000 Quadratmeter großen Wellness-Tempels wurde nichts dem Zufall überlassen. 30 Hochseecontainer mit Deko-Elementen aus Bali ließen die Betreiber nach Moabit karren, auch die Bastlaternen, die eigentlich Hahnenkörbe sind und von einem Markt stammen. Der Aufwand hat sich gelohnt: Das Vabali wirkt edel, aber nicht kalt, exotisch, aber nicht kitschig.

Die Investoren, das Theune Spa Management aus Köln, sind Profis im Spa-Geschäft: Sie betreiben fünf Wellnessanlagen in Deutschland, darunter auch das Liquidrom in Kreuzberg. Das Vabali soll wohl so etwas wie ihr Meisterstück werden: Ausgelegt für 500 Personen, in zentraler Lage der Bundeshauptstadt – geradezu prädestiniert dafür, in sämtlichen Reiseführern als Oase für müde Touristen angepriesen zu werden.

Auch bei der Entwicklung des Grundstücks gingen die Kölner planmäßig vor: Bereits vor sieben Jahren kaufte Theune das ehemalige Freibadgelände. Als hippe Zwischennutzer ließ man zunächst den urbanen Kultur-Campingplatz Tentstation Touristen und Einheimische im geöffneten Freibad bespaßen. Ab April 2013 wurde gebaut, die Tentstation mit ihrer improvisierten Bar und den Konzerten im Schwimmbecken musste dem neuen Luxus-Spa weichen. Kein Wunder, dass die Eröffnung betont dezent, ohne großes PR-Tamtam zelebriert wurde: Moabit erlebt derzeit eine Aufwertung, und das Vabali, das in Laufweite zu den neu errichteten Townhouse-Riegeln an der Seydlitzstraße liegt, ist natürlich Teil des Prozesses.

Volksnahes Spa

Um sich bei der umliegenden Bevölkerung nicht ganz unbeliebt zu machen, gibt sich das Spa zum Start volksnah: Man wolle zunächst bewusst das Berliner Publikum ansprechen, sagt Pressesprecherin Alexandra Schöne. Erst zu Beginn der Hauptsaison im Herbst werde dann ein „ordentlicher Mediamix“ aufgefahren, um das Spa bundes- und weltweit bekannt zu machen.

Im hypermodernen Fitnessbereich der Anlage schwitzt am Montagnachmittag nur ein Mann an einem der chipkartenbetriebenen Geräte. Das könnte durchaus an den Preisen liegen: Für den Luxus eines auf die persönliche Konstitution abgestimmten Trainingsplans muss man Mitglied werden, ebenso für die Teilnahme an den Yoga- oder Fitnesskursen. Kostenpunkt zwischen 64 und 80 Euro im Monat. Die Spa-Preise sind dagegen deutlich moderater: 18,50 Euro kostet wochentags eine 2-Stunden-Karte, 28,50 eine Tageskarte. Dafür kann man bis Mitternacht die zwei Pools, neun Saunen und drei Dampfbäder nutzen, sich in opulenten Ruheräumen auf beheizten Wasserbetten erholen oder auf der Terrasse dem Bambus beim Rascheln zuhören.

„Zielgruppe sind alle Menschen von 18 bis 80“, sagt Schöne, die mit sichtbarem Stolz durch das Restaurant hinaus zum Saunadorf führt. Für schamvolle Menschen allerdings ist das Vabali nicht gedacht. Bikinis und Badehosen müssen draußen bleiben, in die Saunen und selbst in den Außenpool darf man nur nackt. An Land allerdings gilt: dezentes Bedecken mit Handtuch oder Bademantel. Eine ausgefeilte Etikette, die noch nicht jeder verstanden hat: der junge Mann etwa, der sich breitbeinig am Pool räkelt, sein Gemächt in direkter Sichtachse zu denen, die auf der Terrasse ihre pikante Kokossuppe essen. „Die Kommunikation mit den Gästen muss sich mancherorts noch einspielen“, seufzt die Pressefrau.

Warum eigentlich dieser Zwang zur Nacktheit? Man wolle, dass sich die Gäste ungezwungen zwischen drinnen und draußen, Sauna und Pool bewegten, ohne sich dauernd an- und auskleiden zu müssen. „Probieren Sie’s aus“, lächelt Schöne. Und händigt einen überdimensionalen weißen Bademantel, ein Handtuch und einen Chip aus. Ein Mitarbeiter bringt eine Kokosschale, gefüllt mit einer leuchtend blauen Flüssigkeit: Duschgel.

Dezenter Blumenduft liegt in der Luft, türkisblau lockt der Innenpool. „Schöön“, haucht ein junges Mädchen, das gerade aus der Umkleide getreten ist. Siebzehn ist sie geworden, der Spa-Aufenthalt ist ein Geburtstagsgeschenk ihres Freundes. Arm in Arm, in identischen grauen Bademänteln, schlendern die beiden los in Richtung Saunalandschaft. Vor der Trockensauna kündigt eine Tafel die stündlich wechselnden Aufgüsse an. Honig, Salz. Aber was ist Wenik? „Rustikal, kann ich Ihnen sagen, riecht bisschen nach Kuhstall“, kichert eine Dame, die gerade einen Wenik-Aufguss in der russischen Banja-Sauna erlebt hat.

Draußen am Pool räkeln sich zwei vorschriftsmäßig ins Handtuch gewickelte Damen. „Luxuriös, professionell, ganz wunderbar“, strahlt die eine. Und die andere ergänzt: „Ich bin bei der Ölmassage gerade eingeschlafen – zum ersten Mal bei einer Behandlung. Ein Kompliment für den Masseur.“ Die beiden verraten, dass sie gewissermaßen vom Fach sind: Sie waren Gastronomie-Pächterinnen in einem Schwimmbad der Berliner Bäderbetriebe. Als Saunakundige sind sie voll des Lobes über den Wellnessbereich: Hamam, Finnisch, Bio, Aroma: alles geboten. Aber als Berlinerinnen haben sie natürlich auch was zu meckern. Die Türen im Ruheraum klappten zu laut, außerdem gebe es draußen keine Uhr. „Sehen Sie“, sagt eine der Damen nach einem Blick auf die Armbanduhr, „fast hätten wir jetzt den Honig-Aufguss verpasst.“

Die beiden Frauen gehen schnellen Schrittes Richtung Saunahaus, ihre Sachen bleiben auf den Liegen. Schon wenige Sekunden später nähert sich ein Spa-Mitarbeiter, der die Handtücher und Taschen wegräumt und auf das Tischchen stellt. Offenbar gibt es eine Hausregel gegen das von Deutschen so geliebte Liegenbesetzen. Zwei Männer, die auf der Restaurantterrasse das Geschehen beobachten, regt das furchtbar auf. „Uns haben sie auch die Liegen geleert, als wir beim Aufguss waren. Dit ist doch völlig daneben“, poltert der eine, der unterm Bauch nur ein knappes braunes Handtuch trägt.

Wedeln wie ein Amateur

Überhaupt, der Aufguss! Der andere im türkisfarbenen Flausch-Bademantel macht eine wegwerfende Handbewegung. „Das Badepersonal hat hier noch einige Schwächen.“ Es gehöre einfach dazu, sich bei den Badegästen ordentlich vorzustellen und ein paar Worte zum dargereichten Aroma zu sagen. Auch ein lockerer Spruch sei nicht verkehrt. Der Saunamensch aber sei einfach reingestiefelt, habe gegossen und gewedelt wie ein Amateur: „Das Handtuch hat mehrfach seinen Rücken berührt, ein No-go!“.

Detlef und Arno, so heißen die Sauna-Experten, kennen sich aus: Der Wilmersdorfer und der Steglitzer bezeichnen sich selbst als „Sauna-Fans“ hoch drei, sie fehlen bei keiner Sauna-WM und kennen sämtliche Einrichtungen zwischen Spreewald und Bayern.

In Erding bei München gebe es die beste Sauna Deutschlands. Das Vabali hingegen findet in ihren Augen nur beim Ambiente Gnade. Das sei toll, auch das Essensangebot sei ansprechend. Detlefs und Arnos Vorlieben sind eher bodenständig: Die Bedienung bringt Currywurst und Pommes, dazu Cola und Bier. Demnächst, kündigen die beiden an, kämen ihre Frauen ins Vabali, um den Wellnessbereich auf Herz und Nieren zu prüfen.

Optisch zumindest sind die Anwendungsräume im Erdgeschoss beeindruckend. Still ist es hier, in den schlichten Räumen, die nach exotischen Gewächsen benannt sind, riecht es nach Vanille. Der Wellness-Leiter kommt bei einer kurzen Rundtour selbst ins Schwärmen: Sportmassage, Aromaöl, Ayurveda, Hot Stone – es gebe Therapeuten, die extra in Thailand gelernt hätten.

„Was wir machen, ist kein Chichi“, betont er. Alles habe Hand und Fuß, und die Preise seien so, dass „auch Ella Krüger aus Alt-Moabit“ sich die Anwendungen leisten könne. Der Renner seien bisher Doppelbehandlungen: Paarweise den Rücken geknetet kriegen sei nicht nur unter Pärchen beliebt, auch Junggesellinnen schätzten diese Art der gehobenen Zweisamkeit. Das volle Verwöhnprogramm kriegt, wer eine der beiden Day-Spa-Suiten bucht: ein luxuriöses Privatzimmer mit Doppelbadewanne und eigener Terrasse, dazu Champagner, Obst und eine Aroma-Relax-Massage. Für zwei Stunden kostet der Spaß satte 295 Euro – eher nichts für Ella Krüger. Doch trotz des Preises habe es bisher schon über 20 Buchungen gegeben.

Noch sind die Außenanlagen nicht ganz fertig: Wenn man auf der Terrasse steht und auf den Pool blickt, um den sich die Sauna-Pavillons gruppieren, liegen Stein-Buddhas im Rasen und warten auf ihre Aufstellung. Da kann man beinahe noch die Iglu-Zelte der Touristen und das wasserlose Schwimmbecken der Tentstation erahnen, in dem so viele Konzerte stattfanden. Doch die Zeit der Sommerkleider und Shorts ist an der Seydlitzstraße definitiv vorbei.