Guckt hier! Klickt hier!

TREND Internetbetrüger setzen auf den Voyeurismus der Nutzer, um Schadsoftware zu verbreiten

Wäre es nicht aufregend, wenn man doch live hätte zuschauen können? Nach dem Absturz der Maschine des Malaysia-Airlines-Flugs MH17 über der Ostukraine – wahrscheinlich durch eine Rakete – machten Posts auf Facebook die Runde, die auf einen makabren Voyeurismus abzielten. Bei jenem Augenblick dabei zu sein, in dem beinah 300 Menschen in den Tod gerissen werden, erschien offenbar vielen Nutzern attraktiv. Nur die Videos gab es nicht zu sehen.

„Video fängt ein Augenblick des MH17-Crash ein. Guckt hier“ oder „Wirkliche Aufnahme von Rakete, die auf MH17 abgefeuert wurde“ hießen die reißerischen Posts der Netzkriminellen. Wer sie anklickte, in der irrigen Annahme, ein Video abzuspielen, wurde erst gezwungen, den Link selbst zu teilen und dann auf eine Website weitergeleitet, die Werbung anzeigte oder – sehr wahrscheinlich – Schadsoftware auf den Rechner der Nutzer aufspielten. Weil sie den Link selbst schon geteilt hatten, verbreitete er sich immer weiter. Inzwischen sind die meisten erkannt und gelöscht worden.

Bei dem Trickbetrug kommen zwei Trends zusammen: Kriminelle nutzen immer häufiger aktuelle Anlässe, um Leute zu betrügen. So gab es Abzockwellen kurz nach der Einführung des Sepa-Überweisungssystems oder bei der Änderung des GEZ-Gebührensystems. Erst kürzlich versuchten sie es beispielsweise mit der gefälschten Nachricht, dass das im Frühjahr verschwundene Flugzeug vom Flug MH370 von einem Fischer gefunden worden sei.

Ihre Angebote treffen dabei auf den Voyeurismus der Nutzer: Mit dem Aufkommen von Handykameras ist es plausibel, dass Bilder von jedem erdenklichen Ereignis existieren. Doch ein so beeindruckendes Unglücksvideo hat es wohl seit dem 11. September 2001 nicht mehr gegeben, als damals das zweite Flugzeug vor laufenden Fernsehkameras ins World Trade Center flog.

LALON SANDER