Einschläge, Tote und Verletzte

ESKALATION In der Millionenstadt Donezk wird schwer gekämpft

KIEW/DONEZK/BERLIN taz | Die ukrainische Armee hat am Montag offenbar einen Angriff auf die von prorussischen Kämpfern kontrollierte Millionenmetropole Donezk begonnen. Anwohner und Journalisten berichteten von schweren Kämpfen in der Nähe eines Bahnhofs.

Dort waren am Morgen mehrere Artilleriegeschossen eingeschlagen, immer wieder waren Explosionen zu hören. Aufständische sperrten Straßen in der Nähe des Bahnhofs ab. Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen sollen laut Angaben des ukrainischen Internet-Nachrichtenportals Ukrainska Pravda mindestens vier Menschen getötet worden sein.

Autofahrer, die einen Supermarkt in Bahnhofsnähe passiert hatten, der nach einer Granatexplosion in Flammen aufgegangen war, berichteten von weiteren Toten und Verletzten. Zudem soll ein neunstöckiges Wohnhaus beschädigt worden sein.

Die Behörden forderten die Bewohner der betroffenen Stadtteile auf, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen, da es rund um den Bahnhof gefährlich sei. Sie berichteten, dass Regierungstruppen in Awsiiwka, einem nördlichen Vorort von Donezk, einmarschiert seien.

Nach Angaben der Separatisten versuchten Einheiten der ukrainischen Armee gegen Montagmittag weiter in die Stadt vorzudringen. Mindestens vier Panzer sollen Stellungen der Rebellen angegriffen haben.

Unklar war gestern jedoch, ob die ukrainischen Truppen von der Kiewer Regierung wirklich einen Befehl zum Angriff erhalten haben. Noch am Morgen hatte ein Armeesprecher gesagt, die Militäroperation in der Ukraine sei in einer aktiven Phase. Eine Stellungsnahme zu Berichten über Kämpfe in Donezk gab er zunächst nicht ab.

Kurze Zeit später hieß es ukrainischen offiziellen Angaben zufolge, dass die Armee nicht für Explosionen im Zentrum von Donezk verantwortlich sei. Es gebe einen strikten Befehl, in der Stadt weder Kampfflugzeuge noch Artillerie einzusetzen, teilte der Sicherheitsrat aus der Hauptstadt mit.

Für die Bewohner in Donezk macht es jedoch keinen großen Unterschied, wer für die jüngsten Handlungen die Verantwortung trägt. Viele von ihnen sind schlichtweg in Panik. „Die wissen noch gar nicht, wer das Flugzeug abgeschossen hat, und schon schießen sie auf uns. Jetzt können wir auch nicht mehr fliehen. Wohin denn auch? Über den Bahnhof etwa? Die werden uns töten. Wir sind in der Stadt eingesperrt“, sagte eine Verkäuferin aus Donezk der taz am Telefon.

Und eine pensionierte Lehrerin meinte: „Wir können nicht mehr schlafen. Immer Motorengeräusche und Schüsse. Das sind keine Menschen, das sind Faschisten. Ich hätte gerne in Ruhe meine Enkel mit großgezogen. Wir wollen doch einfach nur leben. Die Welt ist verrückt geworden.“ BO, CLA