unterm strich
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Er besucht seine tschechische Geburtsstadt Brünn und quartiert sich unter falschem Namen in Hotels ein. Wenn ihm die tschechischen Übersetzungen seines auf Französisch geschriebenen Werkes nicht gefallen, schreibt er sie anonym um und veröffentlicht sie im Internet. Milan Kundera, der in Europa hoch gelobte und bereits mehrfach Literaturnobelpreis verdächtige tschechische Schriftsteller, wird in seinem Heimatland derzeit gefeiert, wie er es sich niemals hätte vorstellen können. Denn nun ist sein Hauptwerk „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“, das bereits vor 22 Jahren in Paris veröffentlicht wurde, auch in Prag erschienen. Die Tschechen verschlingen das Buch. Der Roman steht auf Rang eins der tschechischen Bestsellerliste.

Erstaunlich ist die Nachricht, weil das Verhältnis des heute 77-Jährigen zu seiner Heimat seit der Flucht aus der kommunistischen ČSSR als hoffnungslos zerrüttet gilt. Grund ist ein legendäres „Essay-Duell“ mit dem Autorenkollegen und späteren Präsidenten Václav Havel. Kundera, damals noch Mitglied der Kommunistischen Partei, schrieb 1968, sein Land werde aus der Niederschlagung der Reformbewegung Prager Frühling gestärkt vorgehen. Havel wies dies 1969 in einer Replik zurück: Kunderas „kitschige Vorstellung“ der Tschechen alsintelligente Nation, die ständig zwischen die Mühlsteine mächtiger Nachbarn gerate“, sei eine „demagogische Selbsttäuschung“. Kundera reagierte verletzt und beschimpfte Havel als „notorischen Nörgler mit Scheuklappen“. Er wanderte Jahre später nach Frankreich aus und konzentrierte sich zu Beginn der 1980er auf das Schreiben von „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. Hintergrund der in dem Roman beschriebenen Liebesgeschichte ist der russische Einmarsch in Prag.

Wir bleiben bei den älteren Männern und ihren Büchern. An diesem Samstag wird der US-amerikanische Autor Noah Gordon 80 Jahre alt. Der Sohn jüdisch-russischer Einwanderer hat ein Faible für medizinische Eingriffe am Menschen, was er in seiner weltweit gefeierten und millionenfach verlegten „Medicus“-Trilogie unter Beweis stellte. Herzlichen Glückwunsch an den Medizinliteraten!

Geburtstag feiern kann auch der Verleger Reinhold Neven Du Mont, der an diesem Sonntag 70 Jahre alt wird. Du Mont leitet seit 1967 den Kölner Verlag „Kiepenheuer & Witsch“, war jahrzehntelang Alleininhaber und geriet vor fünf Jahren in die Kritik, weil er 85 Prozent seiner Anteile an die Holtzbrinck-Gruppe verkaufte. Er verlegte Autoren wie Böll, García Márquez und V. S. Naipaul, lange bevor sie den Nobelpreis erhielten.