„Ohne Zigarette keine Kultur“

Rauchen gehört zur freien Atmosphäre der Cafés und Kneipen, meint die Soziologin Gabriele Steckmeister. Rauchverbote lehnt die überzeugte Nichtraucherin daher ab

taz: Frau Steckmeister, können Sie sich das Café Einstein an der Kurfürstenstraße rauchfrei vorstellen?

Gabriele Steckmeister: Niemals. Das Einstein ist nach dem Vorbild eines österreichischen Kaffeehauses gestaltet: Man verbringt darin Stunden, liest sich durch die Zeitungen, trinkt Kaffee oder führt lange politische Diskussionen. Zu dieser Tradition mitteleuropäischer Gemütlichkeit gehören Zigaretten einfach. Wenn im berühmten Café Havelka in Wien die Raucher vor die Tür müssten, wäre das Flair dahin. Aber die Österreicher rauchen sowieso mehr als die Berliner.

Wie verwurzelt ist das Rauchen in Berliner Kneipen?

In den einfachen Eckkneipen wurde schon immer geraucht, am Tresen und an den Tischen. In den 20er-Jahren fingen auch Frauen an, in Kneipen zu gehen. Das war ein Akt der Emanzipation, und öffentliches Rauchen war ein Teil davon. In Berlin, der Hochburg der Moderne, gehörte die lange Zigarettenspitze ebenso zur modernen Frau wie das Charlestonkleid.

Mondän sehen moderne Filterzigaretten nicht gerade aus. Ist Rauchen noch zeitgemäß?

Ich selbst bin überzeugte Nichtraucherin. Aber manchmal lasse ich mich lieber vollräuchern und sitze dafür in einer netten Gaststätte. Zum Glück habe ich die Wahl. Und die möchte ich auch weiterhin haben. Von Rauchverboten halte ich gar nichts.

Und wohin gehen Sie, wenn Sie keine Lust auf Zigarettenrauch haben?

Ins Literaturhaus in der Fasanenstraße. Dort kann man beim Eintreten zwischen dem Restaurant und dem Nichtraucherbereich im Wintergarten wählen. Beide Teile sind gleich gemütlich, das ist optimal. Aber wenn ich eine richtig gemütliche Kneipe will, dann soll dort auch geraucht werden.

Sie bestehen ja nahezu darauf.

Allerdings. Kennen Sie das Café Flore in Paris, wo sich Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre immer zum Frühstücken getroffen haben? Ohne Zigaretten wären einige der besten Ideen unserer demokratischen Kultur nicht entstanden.

Hätten die beiden ohne Zigaretten nicht vielleicht noch bessere Ideen gehabt?

Ich mag diesen erzieherischen Ansatz nicht. Die beiden waren nun mal Raucher, damals war man nicht so gesundheitsbewusst. Aber das ist nicht der Punkt. Ich wehre mich dagegen, dass die freie Atmosphäre, wie sie in Cafés wie dem Flore oder auch in der Berliner Paris Bar herrscht, per Gesetz abgeschafft wird. Das ist undemokratisch.

Könnten Sie sich neben der traditionellen eine neue und dann rauchfreie Café- und Kneipenkultur in der Stadt vorstellen?

Warum nicht? Kneipen sind wie Mode: Sie passen zum persönlichen Stil und zum gesellschaftlichen Status. Es gibt Nachbarschaftskneipen, ethnische Kneipen mit mexikanischen Drinks oder schwäbischem Essen und gehobene Bars. Gesundheitsbewusstes Nichtrauchen ist ein Trend, der sich bereits in rauchfreien Restaurants ausdrückt. Warum nicht auch in Kneipen? Darüber muss ich mal mit meinen Studenten diskutieren.

INTERVIEW: NINA APIN